EM Nominierung und Neuausrichtung im DPV-Kader

Seit März 2018 leitet Philipp Zuschlag verantwortlich den Trainer-Stab des Deutschen Pétanque Verbandes. Bereits bei der Übernahme dieser Aufgabe erklärte er einen strategischen Wechsel bei der Aufstellung der Teams. Zuschlag geht es hierbei in erster Linie um den „Spirit“, den der Zusammenschluss von vier Spieler*innen auf internationalem Parkett entwickeln und leben kann. Seine Strategie hat weniger den Fokus auf die technischen Fähigkeiten der Einzelnen, als vielmehr auf die mentale Disposition innerhalb der Mannschaft. Einer seiner Leitsätze hierbei lautet: „Man kann nicht erfolgreich sein, wenn sich ein Team aus Spielern zusammensetzt, von denen einige unbedingt gewinnen und einige auf keinen Fall verlieren wollen. Beide Einstellungen können zum Sieg führen, aber innerhalb einer Mannschaft treffen hier Welten aufeinander, die am Ende den Erfolg gefährden.“

Das Interview führte Christoph Roderig

CR: Philipp, knapp anderthalb Jahre ist es jetzt so, dass Du im DPV-Spitzensport „den Hut auf“ hast. Deine ursprüngliche Intention auf dem Weg zum Erfolg haben wir bereits beschrieben. Entsprechen die bisherigen Ergebnisse Deinen Erwartungen?

PZ: Unsere Einschätzung war von Anfang an, dass wir ein wenig Zeit brauchen, bevor wir Erfolge sehen, die über das in der Vergangenheit Erreichte hinaus gehen. Auf dem Weg dahin überraschte uns dann selbst das Erreichen des Viertelfinales bei der WM in Kanada. Den Sieg über Madagaskar hatten wir – zumal in dieser Deutlichkeit – nicht erwartet. Bei den fünf Weltmeisterschaften in Almeria/Spanien erreichten die DPV-Teams in drei Disziplinen die Hauptrunde, auch dieses Ergebnis war keine Selbstverständlichkeit. Insofern entsprechen diese Ergebnisse nicht nur unseren Erwartungen, sondern liegen ein bisschen höher als die eigentliche Messlatte.

Philipp Zuschlag (hinten 3. v.r.) mit der DPV-Delegation bei den Weltmeisterschaften in Almeria/Spanien.

CR: Als Bundestrainer einer Sportart in Deutschland ist man nie allein. Jogi Löw hat geschätzt im Schnitt 8 Millionen Assistenten vor den Fernsehern sitzen, bei Dir sind es in den Live-Übertragungen von internationalen Wettkämpfen im Schnitt 500 Zuschauer. Wie sind die Reaktionen aus der „Pétanque-Szene“ auf Eure Arbeit?

PZ: Das Feedback in der Szene ist durchweg positiv, insbesondere bei Pétanque-Sportlern die auf dem Niveau Deutscher Meisterschaften oder Internationaler Wettbewerbe unterwegs sind. Hier sind es vor allen Dingen persönliche Gespräche am Rande von Turnieren, sowie E-Mails oder Chats, in denen wir uns austauschen. Bei einigen Veröffentlichungen auf privaten oder Vereins-Homepages schütteln wir hingegen oft genug den Kopf, wenn sie an uns herangetragen werden. Da schwingt häufig eine sehr hohe Abneigung gegenüber allem mit, was unter der DPV-Flagge geschieht und manches wird schlicht falsch dargestellt. Letztlich kann man aber sagen, dass alle, die sich tatsächlich mal mit uns unterhalten, am Ende zumindest viel Verständnis für unsere Arbeit mitbringen und uns die Daumen drücken. Ich denke im Rahmen unserer Möglichkeiten wird uns auf diese Art und Weise ein überwiegend guter Job bestätigt.

CR: Insbesondere Wechsel in der Besetzung des Kaders sind häufig Anlass zu Diskussionen und sehr sensibel zu behandeln. Wie ist da die Strategie des DPV-Trainerstabes?

PZ: Wir haben im Trainerstab lange diskutiert, welche Spielidee wir zukünftig verfolgen wollen, um die bestmöglichen Ergebnisse bei großen Turnieren zu erreichen. Wir setzen auf eine offensive und aktive Spielweise, bei der wir nicht auf Fehler des Gegners angewiesen sind. Entlang dieser Philosophie werden wir zukünftig die Kader mit den am besten hierzu passenden Spielertypen besetzen. Wir wollen zudem bis 2020 einen Kader aufbieten, der den hohen Herausforderungen – insbesondere auf internationalem Parkett – gewachsen ist.

Im Rahmen der Neuausrichtung hat das Trainer-Team jetzt zwei Entscheidungen getroffen: für die EM 2019 haben wir vier Kaderspieler nominiert – und um die taktische Flexibilität im aktuell voll besetzten Kader zu erhöhen, werden wir dort drei Spieler vor der Saison 2020 herausnehmen.

CR: Welche Spieler werden den DPV denn auf der EM vertreten?

PZ: Für Deutschland spielen auf der EM 2019 Andre Skiba, Raphael Gharany, Marco Lonken und Moritz Rosik. Wir erwarten von diesem Team ein erfrischendes und offensives Spiel. Alle vier Spieler sind auch für den Kader 2020 vorgesehen und sind ein guter Mix aus Erfahrung, aktueller Form und Teamgeist. Das Trainer-Team hatte bis zu acht Spieler auf der Shortlist. Für diese vier haben wir uns letztlich entschieden. Vincent Probst ist der „offizielle Nachrücker“. Auch wenn das natürlich ein bisschen davon abhängt welcher Spieler „ausfallen“ würde.

CR: Und welche Spieler werden nicht zum Kader 2020 gehören?

PZ: Jannik Schaake, Jan Garner und Pascal Keller werden dem Kader ab 2020 nicht mehr angehören. Alle drei sind bekanntermaßen exzellente Pétanque-Sportler, coole Typen und haben sich immer vorbildlich verhalten – umso schwerer fiel uns diese Entscheidung auf einer persönlichen Ebene. Ich selbst habe die drei echt gern und habe ja auch mit Jannik und Pascal schon einige Male Turniere gespielt. Alle drei haben auch über Jahre sehr viel für den DPV geleistet. Als wir ihnen die Entscheidung jeweils telefonisch mitgeteilt haben, waren es überraschend angenehme Gespräche. Alle sind sehr professionell damit umgegangen. Wie gesagt, auf einer persönlichen Ebene eine total schwierige Entscheidung, wir sind aber dennoch davon überzeugt, dass wir einen gewissen Freiraum im Kader benötigen um – vielleicht sogar spontan – neue Spieler aufnehmen zu können. Ganz sicher wird es auch noch ein offizielles Dankeschön aus dem DPV für das Engagement der drei Spieler geben.

CR: In Präzisionssportarten wie dem Pétanque wird mentales Training ein immer größeres Thema – welche Pläne hat der DPV-Trainerstab in diese Richtung?

PZ: Das Trainer-Team ist innerhalb meiner Zeit als Bundestrainer häufiger mit dem Thema Mentaltraining in Berührung gekommen. Wir haben sehr verschiedene Charaktere im DPV-Kader und eine entsprechende unterschiedliche Bedürfnissituation. Wir glauben nicht an „Impulsvorträge“ zum Thema Mentaltraining und einmalige Aktionen, aber sehr wohl sehen wir in einem längerfristigen und kontinuierlichen Training in diesem Bereich sehr hohes Potenzial für einen Leistungszuwachs bei unserer Spieler*innen. Wir arbeiten mit den sportlich Verantwortlichen beim DPV daran, eher mittelfristig den Kaderspielern ein entsprechend ausgereiftes Angebot zukommen lassen zu können. In letzter Instanz ist das aber auch eine finanzielle Frage. Beim jetzigen DM Triplette Sieg von Robin, Flo und Moritz konnte das Mentaltraining unseres Trainerstabs mit den Spielern zumindest schon einen ganz kleinen Beitrag zum Sieg leisten.

CR: Wir haben jetzt nur über die Herren gesprochen. Wie geht es im Damenkader weiter?

PZ: Auch bei den Damen steht die Nominierung für die WM 2019 in Cambodia an. Hier werden wir demnächst die Entscheidungen bekannt geben. Und ebenfalls bei den Damen werden wir den jetzigen Kader erst einmal verkleinern und die bereits beschriebene Spielidee vorgeben. Damit schaffen wir auch in diesem Kader die Voraussetzung in 2020 neue Spielerinnen aufzunehmen und das Team noch wettbewerbsfähiger zu
machen. Offizieller Sichtungstermin 2019 wird der Länderpokal im November. Wir sind guter Dinge im Anschluss daran den Gesamt-Kader für 2020 final benennen zu können.