„Mit den richtigen Leuten…“

Michael „Mischa“ Dörhöfer, seit 2017 Präsident des Deutschen Pétanque Verbandes, zieht im Gespräch mit der Online-Redaktion eine erste Bilanz der auslaufenden Saison 2019. Außerdem bietet er Einblicke in Themenfelder, die den DPV noch bis zum Ende dieses Jahres erwarten.

Foto: Heinz Zabel

DPV: Mischa, die „klassischen“ Deutschen Meisterschaften für die Saison 2019 sind Geschichte – und wir freuen uns noch auf die 55+DM und die Triplette-DM der Damen. Darüber hinaus ist der letzte Spieltag der Deutschen Pétanque Bundesliga gelaufen und wir haben einen neuen Deutschen Vereinsmeister: Düsseldorf SurPlace. Welche Eindrücke hast Du von den bisherigen Höhepunkten 2019 mitgenommen?

MD: Zunächst einmal bin ich wieder beeindruckt von dem hohen sportlichen Niveau, das wir inzwischen auf Deutschen Meisterschaften beobachten dürfen. Weder beim Tête noch beim Doublette Mixte, erst recht nicht beim Doublette oder Triplette kann man ab dem 8tel-Finale noch von „eindeutigen“ Favoriten sprechen. Es waren immer alle Teams noch für eine Überraschung gut – und ich möchte hier in diesem Jahr insbesondere Jan Garner als Deutschen Meister Tête hervorheben, der es als „alter Hase“ des Deutschen Pétanque einmal mehr allen gezeigt hat.

Richtig begeistert bin ich von der Deutschen Meisterschaft Triplette in Bad Pyrmont: „Hut ab“ vor den Verantwortlichen im Landesverband Niedersachsen, die hier einen Spielort mit atemberaubend schöner Atmosphäre organisiert haben. Insbesondere bei der Triplette-DM gilt das, was ich eben meinte: ab dem Viertelfinale war für alle noch alles drin. Spannende Partien auf höchstem Niveau, manche Überraschung – und am Ende ein verdienter Deutscher Meister mit Florian Korsch, Robin Stentenbach und Moritz Rosik!

Besonders gefreut hat mich hier im Finale natürlich auch der Besucher-Rekord: rund 500 Begeisterte waren live vor Ort und weitere über 500 Menschen zuhause bei der Live-Übertragung vor den Monitoren.

DPV: Das Jahresende 2019 markiert auch die erste Hälfte Deiner Amtszeit als DPV-Präsident. Was hattest Du Dir vorgenommen und was davon hast Du bis jetzt erreicht.

MD: Obwohl ich bereits als Präsident des BPV Erfahrungen in den Gremien des DPV gesammelt hatte, musste ich mich zunächst einmal im Detail hier einfinden. Anders als in den Landesverbänden haben wir es ja hier nicht ausschließlich mit Ehrenamtlichen zu tun. Der DPV beschäftigt – neben dem ehrenamtlichen Präsidium – auch Angestellte, Beauftragte und Honorarkräfte.

Ganz ehrlich musste ich mich insbesondere von meinen Kollegen im DPV-Präsidium zunächst etwas „zurückpfeiffen“ lassen, weil ich vom Start weg die Aufgaben so angepackt habe, wie ich es als Führungskraft in der Industrie gewohnt bin. Das heißt: in erster Linie auf Effizienz getrimmt, Rollen verteilen, Verantwortung delegieren, Termine setzen und Ergebnisse einfordern. Das kam insbesondere bei den ehrenamtlich Tätigen nicht besonders gut an, was ich auch schnell verstanden habe. Nach dem Motto „in der Ruhe liegt die Kraft“ konnte wir dann Schritt für Schritt die ersten Dinge auf den Weg bringen.

Ein Beispiel ist hier die Kaderarbeit der Senioren unter der eigenverantwortlichen Leitung der Bundestrainer, die sich inzwischen einen wirksamen Stab an weiteren Trainern rekrutiert haben. Der neue Schwerpunkt „Team-Spirit“, den Philipp Zuschlag als Bundestrainer in das Kader gebracht hat, trug bereits bei den ersten internationalen Einsätzen unserer Spitzen-Spieler Früchte. Mit der zum Teil Sisyphus-Arbeit eines hauptamtlichen Sportdirektors Jürgen Hatzenbühler und seinem Team darf der DPV ebenfalls sehr zufrieden sein.

Ein glückliches Händchen hat der DPV auch mit dem Engagement von Martin Schmidt als Vizepräsidenten Sport bewiesen. Martin hat aus heutiger Sicht nach seinem „Sprung ins kalte Wasser“ bis jetzt alles richtig gemacht. Der DPV verfügt nun jüngst über einen wirksamen Sportausschuss, bei dem es mich besonders freut, dass es dort eine Mischung aus Frauen und Männern gibt. Ein Punkt, der im DPV noch nicht ganz den Ansprüchen gerecht wird, die ich grundsätzlich habe, nämlich möglichst paritätisch die Positionen auch mit Frauen zu besetzen.

Martin Schmidt hat darüber hinaus zwei weitere, wichtige Baustellen im DPV erfolgreich besetzt, indem er mit Marcus Faltermann einen leistungsstarken Beauftragten für die Rangliste gewinnen konnte – und mit Herbert Dressbach eine ebensolche Verstärkung in Sachen Länderpokal und Bundesliga

Durch diese Besetzungen werden auch Signale an weitere Interessierte gesendet, nämlich, dass ein ehrenamtliches Engagement den persönlichen Alltag bereichert. Ich habe hier in Deutschland in diesem Jahr so viele tolle Veranstaltungen erlebt, die von diesem Engagement getragen werden, bei denen auch jederzeit deutlich wurde, welche Freude – bei allem Aufwand der betrieben werden muss – auch die „Macher/innen“ dieser Events erleben. Dies ist nun übrigens auch eine schöne Gelegenheit einmal „Danke!“ zu sagen, an all die Helfer/innen und Organisator/innen dieser vielen Boule- und Pétanque-Aktionen – natürlich auch derjenigen, bei denen niemand vom DPV-Präsidium persönlich anwesend sein konnte.

DPV: Zurück zur Frauen-Quote: der DPV-Vizepräsident Inneres, Wilfried Falke, hat erklärt, aufgrund seines vielfältigen Engagements in anderen Bereichen, sich nicht mehr zur Wahl zu stellen – und der DPV-Vizepräsident Kommunikation, Ulrich Becker, hat ebenfalls seinen Rückzug aus dem Amt angekündigt. Wie stehen die Chancen, diese beiden Positionen im – aktuell ausschließlich von Männern dominierten – DPV-Präsidium mit Frauen zu besetzen?

MD: Nicht falsch verstehen: ich halte nichts von „Quoten“, sowohl in die eine als auch in die andere Richtung. Aber natürlich würde es uns im Präsidium besonders freuen, wenn auch Frauen den Arm heben und sich für die Aufgaben im DPV zur Verfügung stellen. Und ja: tatsächlich würden wir Angesichts dieses aktuellen Männer-Zirkels wahrscheinlich sogar bevorzugt auf die Bewerbungen von Frauen eingehen.

Aber am Ende des Tages entscheidet doch die jeweilige Qualifikation, das Verständnis dafür, wieviel Zeit man sich in seinem Alltag für die Aufgaben abzweigen kann – und nicht zuletzt die persönliche Einstellung zu bestimmten Herausforderungen in allererster Linie darüber, wer welches Amt besetzt.

DPV: In Zeiten des Internet im Allgemeinen sowie den Social Media-Plattformen im Besonderen spielt aber sicher auch die „Öffentlichkeit“, in der man als Mitglied des DPV-Präsidiums plötzlich steht, eine Rolle bei der Entscheidung ein solches Amt zu übernehmen. Welche Erfahrungen hast Du mit Deinen Präsidiumskollegen in diesem Zusammenhang?

MD: Da kann und will ich zunächst einmal nur für mich selbst sprechen – auch wenn ich von dem einen oder anderen schon weiß, dass er in erheblichem Maße für bestimmte Entscheidungen insbesondere im Internet recht massiv angefeindet wurde und wird.

Auf den bekannten Social-Media-Plattformen bin ich schon seit gut 10 Jahren unterwegs, also lange vor der Zeit, die ich aktuell als DPV-Präsident aktiv bin. Das hat sich für jemanden wie mich, der über das Pétanque in vielen Ländern der Welt viele – zum Teil „echte“ – Freunde gefunden hat, als besonders vorteilhaft erwiesen. Man hält auf einfachstem Weg Kontakt, lässt sich gegenseitig an dem teilhaben, was man gerade so in Sachen Pétanque erlebt – und verliert sich nicht so schnell aus den Augen.

Nun erlebe ich aber, dass es einige „Zaungäste“ auf meinem – auss
chließlich privaten – Account gibt, die nur darauf lauern, irgendeine meiner dort beschriebenen Aktivitäten aufzugreifen, um sie in der Öffentlichkeit negativ darzustellen und mich nach Möglichkeit zu diskreditieren. Das ist eine unschöne Mischung aus gelangweilt und selbst langweilig sein, die solche Charaktere antreibt. Nun kann man sagen, dass Personen, die in der Öffentlichkeit unterwegs sind, damit leben müssen. Das gelingt mir auch jederzeit im Bezug auf meine eigene Person. Wenn ich nun allerdings auch schon erleben musste, dass meine Familie ebenfalls Zielscheibe eines solchen Personenkreises wurde und wird, dann werden selbst die ausgedehnten Grenzen meiner Toleranz erheblich überschritten.

DPV: Vor dem Hintergrund, dass einzelne engagierte Ehrenamtliche angesichts solcher massiven Angriffe in das persönliche Umfeld hinein die Lust verlieren und ihre Arbeit einstellen könnten, sollte man doch auch als Sportverband Instrumente haben, so ein Verhalten zu sanktionieren, oder? Auf dem Rechtsweg entstehen doch allen Protagonisten nur Kosten und Zeitaufwand.

MD: Dazu möchte ich mich aus nachvollziehbaren Gründen nicht öffentlich äußern. Das einfachste wäre es doch, wenn die beschriebenen Personen ihr Handeln überdenken, oder?

Schließlich wollen wir doch alle das Gleiche : Unseren geliebten Sport nach vorne bringen. Übrigens: über die unterschiedlichsten Gremien kann jeder seine Ideen einbringen oder Vorschläge unterbreiten.

DPV: Dem DPV stehen noch insgesamt fünf spannende Einsätze bei internationalen Turnieren ins Haus – sollen wir die aufzählen, oder möchtest Du selbst etwas dazu sagen?

MD: Da kann ich gerne etwas dazu sagen. Den Anfang machen gleich unsere Erfahrensten bei den Europameisterschaften der Veteranen, einer Gruppe von Spielern, die hierzulande als „55+“ bekannt ist. Mit Rosario Italia, Armin Hogh, Peter Weise und Kamel Mohammed Bourouba schickt der DPV eine Mannschaft nach Albena in Bulgarien, die sich im internationalen Wettbewerb mehr als behaupten kann. Ich bin sehr gespannt, mit welchen Ergebnissen das Team unter der Leitung von Dirk Beckschulte zurückkehrt.

Unmittelbar darauffolgend finden an derselben Stätte die Triplette-Europameisterschaften der Herren statt. Mit Moritz Rosik, Raphael Gharany, Marco Lonken und Andre Skiba sind hier ebenfalls DPV-Spitzenspieler am Start, die sich nicht mit den hinteren Plätzen zufriedengeben werden.

Von beiden Events wollen wir die Spiele der DPV-Mannschaften live für die Daheimgebliebenen übertragen – ich wünsche mir sehr, dass das reibungslos funktioniert und das eine positive Stimmung auf die weiteren anstehenden Wettbewerbe überschwappt.

Aber es geht ja dann noch weiter: in Saint Pierre Les Elbeuf in Frankreich starten Anfang Oktober die Europameisterschaften der Espoirs. Leon Gotha, Paul Möslein, Marco Kowalski und Pascal Müller bei den jungen Männern, genauso wie Luzia Beil, Eileen Jenal, Dominique Probst und Jennifer Schüler bei den jungen Damen, werden die Zuschauer zuhause vor den Monitoren sicher nicht enttäuschen.

Letzter Höhepunkt auf internationalem Parkett werden in diesem Jahr dann die Weltmeisterschaften der Jugend und der Damen in Kambodscha sein. Auch hier macht sich Eileen Jenal auf den weiten Weg, gemeinsam mit Carsta Glaser – die einen tollen Auftritt bei den diesjährigen Europameisterschaften für den DPV in Spanien hatte – sowie Verena Gabe und die Espoirs-Europameisterin vergangener Jahre, Anna Lazaridis. Ich wünsche mir, dass die Damen dort so auftrumpfen, dass sich die Zuschauer zuhause vor den Monitoren die Wecker stellen.

Für die Jugend gehen dort Silvana Lichte, Fabio Trampler, Gabriel Huber und Justin Neu an den Start. Dieses Team wird nicht nur wegen des internationalen Parketts, sondern auch wegen der weiten Distanz von Zuhause, sicher mit besonderer Aufregung zu kämpfen haben. Aber sie sind in der Delegation in den besten Händen und finden hoffentlich zu „ihrem Spiel“, mit dem sie an anderer Stelle schon begeistert und überzeugt haben.

Aus eigener Erfahrung weiss ich, wie sehr es die Spieler lieben, Unterstützung von zu Hause in aller Form zu erleben. Das Schönste im letzten Jahr war ein Motivationsvideo von den Daheimgebliebenen. Seid kreativ und lasst uns aus jedem Event ein Fest machen.

DPV: Das verspricht ein spannendes Restjahr im Deutschen Pétanque-Sport zu werden! Möchtest Du abschließend noch etwas los werden, was wir bis hierhin noch nicht gefragt haben?

MD: Ja, und ich denke, das ist auch in meiner Stellungnahme von eben schon deutlich geworden: ich wünsche mir für alle, die sich ehrenamtlich oder beruflich für den Pétanque-Sport in Deutschland engagieren, dass sie niemals den Spaß an diesen Aufgaben verlieren – und dass sogar der Spaß für alle hier immer im Vordergrund steht. Gleichzeitig wünsche ich mir für alle anderen Protagonisten in der deutschen Pétanque-Szene, dass sie in ihrem Tun und Handeln immer auch insbesondere darauf achten, niemandem den Spaß zu verderben. Konstruktive Kritik ist jederzeit angebracht, wenn diese aber in Richtung persönlicher Anfeindungen abdriftet, gibt es am Ende mehr Geschädigte, als Menschen, die davon einen Vorteil hätten.

Zuletzt möchte ich alle Interessierten aufrufen, sich auf ein Engagement im Deutschen Pétanque-Verband, in den Landesverbänden und den Vereinen einzulassen. Eines hat die erste Hälfte meiner Amtszeit mir eindrucksvoll bewiesen: mit den richtigen Leuten werden Prozesse effektiver gestaltet und Ziele schneller und mit größerer Sicherheit erreicht.