EuroCup-Finale in Rastatt – der Bericht Teil 1

Selten war ein internationales Pétanque-Ereignis auf deutschem Boden so intensiv im Vorfeld angekündigt und beworben worden, „Das Event des Jahres“ war eine der eher zurückhaltenden Vorhersagen im Bezug auf diese Veranstaltung.

Es war einiges abzusehen – mit den vielfachen Weltmeistern Philippe Quintais und Philippe Suchaud wurden zwei Ikonen des Kugelsports erwartet, aber auch Spieler wie Kaled Lakhal oder Jean-François Hemond, ebenfalls WM-Titelträger vergangener Jahre, garantierten für spannenden Sport. Diese Spieler der französischen und belgischen Vereine waren im Vorfeld Grund genug, das EuroCup-Finale euphorisch zu bewerben. Die Teilnehmer aus Italien und Deutschland hatte zu diesem Zeitpunkt kaum jemand ernstzunehmend „auf der Rechnung“, entsprechend fanden sie zunächst auch kaum Erwähnung – zu Unrecht, wie wir jetzt wissen.

Es sei also hier vorweg genommen: Das was die Zuschauer in der Rastatter Boulehalle am 11. und 12. Dezember 2004 erleben durften, kann ohne weiteres in der „Hall of Fame“ der spektakulärsten Pétanque-Partien in Marmor gemeißelt werden. Es war ein Traum für jeden Kugel-Sportler, an Spannung und technischem Niveau nicht zu überbieten. Und hierbei waren es dann doch nicht „nur“ die erwarteten Kunststücke besagter Protagonisten aus dem französischsprachigen Raum – nein, auch die Spieler der Vereine Valde Maire und Odin Hannover aus Italien und Deutschland, machten es diesen nominell stärkeren Gegnern nicht einfach!
Doch fangen wir von vorne an.
Die Delegationen aus allen vier Nationen waren bereits am Freitag-Nachmittag angereist. Bis auf die Spieler von Auderghem in Belgien, waren alle zentral in einem Rastatter Hotel untergebracht. Vom DPV wurde ein Shuttle-Service mit Kleinbussen angeboten, der die Spieler vom Hotel zur Halle und zurück brachte. Belgier, Deutsche und Italiener nutzten noch an demselben Tage die Möglichkeit den Boden in der Halle zu testen und spielten sich schon mal ein bißchen warm. Dies hielten die Franzosen vom D.U.C. Nice nicht für erforderlich – und bewiesen am Samstag eindrucksvoll, dass sie damit wohl Recht hatten.
Letzte Besprechung am Freitag-Abend.
Am Freitag-Abend gab es dann noch eine letztes Meeting zwischen den Vertretern der Vereine, des Europäischen Verbandes (CEP) und des DPV, innerhalb dessen letzte offene Punkte geklärt wurden.
So fragte zum Beispiel Philippe Quintais danach, ob seine Mannschaft, wenn sie vier von sieben Spielen gewonnen hat aufhören könnte, schließlich würde dies ja für einen Gesamtsieg der Runde reichen. Natürlich hatte er damit nicht Unrecht, wurde aber trotzdem gebeten, die drei restlichen Partien auch noch zu spielen – schließlich wurden eine ganze Menge Zuschauer erwartet und darüber hinaus auch noch ein Fernsehteam.
Allerdings hatte vor diesem Hintergrund der DPV-Vertreter eine Bitte an den Kugelkönig aus Frankreich: „Philippe, wenn Ihr mit Eurer Runde soweit seid, dass ihr sicher gewonnen habt, dann tu dem Publikum und allen Anwesenden doch den Gefallen und ‚zauber‘ einfach mal ein bißchen! Spiel einfach ganz befreit und dann auch gerne eher unkonventionell – das Publikum wird es Dir danken!“ Der Weltmeister lachte und nickte – und tatsächlich gab es dann am nächsten Tag auch die eine oder andere Show-Einlage, die das Herz der Pétanqueure höher schlagen ließ!
Die Nacht von Freitag auf Samstag war kurz für die Organisatoren. Aus dem letzten Meeting hatten sich noch einige Punkte ergeben, die zum Beispiel in Sachen „Formularwesen“ zu dem Event noch zu erledigen waren, und so mussten drei Stunden Schlaf reichen, bis es dem feierlichen Anlaß entsprechend in Anzug und Krawatte zur großen Eröffnung dieser Europäischen Final-Runde ging.
Eine ganze Menge Zuschauer schon am Samstag-Morgen.
Die Rastatter Boulehalle war am Samstag-Morgen um 8:30 Uhr schon gut gefüllt. Dem Zeitplan entsprechend startete pünktlich um 8:45 Uhr der Einzug der Nationen. Nacheinander marschierten die Spieler und Coaches der Belgier, der Deutschen, der Franzosen und der Italiener zu ihren Nationalhymnen und ausgestattet mit einem entsprechenden Nationenschild in die Boulehalle Rastatt ein.

Die vier Teams mit ihren Nationen-Schildern waren
unter dem Klang ihrer Nationalhymnen in die Halle
eingezogen – eine feierliche Stimmung.
Es folgte eine Rede des DPV-Vertreters Christoph Roderig, der die Sportler, Fans und Besucher – und separat den Internationalen Schiedsrichter Patrick le Bars – herzlich begrüßte. Die Vereine und Spieler wurden kurz vorgestellt – und ebenso der Spielmodus der Veranstaltung.
In seiner Rede erinnerte Christoph Roderig aber auch an den ersten Präsidenten des Europäischen Pétanque-Verbandes, Karsten Köhler, der über lange Jahre auch der Präsident des DPV gewesen war und der leider sehr jung verstorben ist. Er erinnerte an dessen Ideen vom europäischen Geist und vom sportlich fairen Wettkampf und schwor die Teilnehmer auf diese Gesinnung ein.
Grüße aus dem fernen Thailand!
Abschließend wurden dann noch herzliche Grüße des amtierenden DPV-Präsidenten Klaus Eschbach übermittelt, der zu dieser Zeit bereits seinen wohlverdienten Urlaub in Thailand angetreten hatte.
Diese Rede des DPV wurde dann noch für die Gäste aus dem Ausland in englischer, französischer und italienischer Sprache vorgetragen, was von den Besuchern aus den entsprechenden Ländern mit großem Beifall gedankt wurde.

Die Delegation des Europäischen Pétanque-Verbandes bei der Rede
ihres Präsidenten Flemming Jensen (ganz rechts im Bild).
Im Anschluß hieran trat dann Flemming Jensen, der Präsident des Europäischen Petanque-Verbandes an das Mikrofon.
Auch er begrüßte alle Anwesenden sehr herzlich und hob noch einmal die besondere sportliche Qualität dieses Wettkampf-Wochenendes hervor. Er bedankte sich außerdem bei dem Rastatter Bouleclub und beim DPV dafür, dass dieses Europapokal-Finale hier in Baden-Württemberg einen so hochwertigen sportlichen wie organisatorischen Rahmen gefunden hatte. Seine in englischer Sprache vorgetragene Rede wurde dann noch vom Generalsekretär des CEP, Loek van Tiggelen, in Französisch vorgetragen und vom DPV-Vizepräsidenten Christoph Roderig auch in deutscher Sprache rezitiert.
Auch der CEP erhielt für seinen Vortrag einen anhaltenden Applaus.

Aufmerksame Zuhörer bei den Ansprachen: Team Odin Hannover.
Weihnachtliche Auslosung.
Dann ging es zu Auslosung der ersten Runde. Hierzu hatte sich der DPV etwas zur Weihnachtszeit passendes ausgedacht: Vier Nikolaus-Figuren standen bereit, in denen jeweils die Ziffern 1, 2, 3 und 4 versteckt waren. Jeder Teamchef der vier Nationen wurde aufgefordert, sich von einem bereitgestellten Tisch eine der Figuren zu holen. Auf Ansage der Turnierleitung wurden die Nikolause geöffnet, die Nummern gezogen und somit die Gegner der ersten Runde ermittelt: Ziffer 1 gegen 2 und Ziffer 3 gegen 4.
So ergaben sich folgende Begegnungen:
Auderghem gegen Nice
Hannover gegen Valle Maira.
Pünktlich um 9:30 Uhr schallte das Signal aus der Pfeife des Schiedsrichters Patrick le Bars durch die Halle – das EuroCup-Finale der Landesmeister war eröffnet!
Jeweils zwei Triplette und zwei Triplette Mixte gegeneinander.
Dem Modus entsprechend traten zunächst jeweils zwei Triplette und zwei Triplette Mixte gegeneinander an.
Bei allen Teams war ein vorsichtiges Herantasten an den Gegner, den Boden und die Atmosphäre in der Halle zu spüren. Die extra von der Stadt Rastatt zur Verfügung gestellte Tribüne füllte sich immer noch ein bißchen mehr, bis schließlich gute 200 Zuschauer am Spielfeldrand saßen.
D.U.C. Nice stellte die Weichen schon in der ersten Partie auf „Durchmarsch“. Die Weltmeister Philippe Quintais und Philippe Suchaud waren in dem Team equipiert und gönnten sich nur eine kurze Phase des Warmwerdens. Nach zwei Punkten in der ersten Aufnahme und einem weiteren in der folgenden, konnten hier die Belgier überraschend vier Punkte machen und zunächst mit 4:3 in Führung gehen. Hier folgte dann allerdings die erste von vielen Aufnahmen an diesem Wochenende, in der die Franzosen ihr spielerisches Können auf’s Schießen reduzierten. Eine gut gelegte Kugel nach der anderen wurde entsorgt, in der Regel mit satten Carreaux. Das belgische Team rund um den amtierenden Vize-Weltmeister Jean-François Hermond hatte dem zunächst nicht viel entgegen zu setzen, schnell stand es dann 9:3 für Frankreich.

D.U.C. Nice gegen Audergheme in der Vorrunde am Samstag.
Erst als sich die Belgier der Spielweise der Franzosen annäherten, konnten sie wieder einige Punkte machen und schafften es schließlich sogar zu einem 7:11 heranzurücken. Die Hoffnung auf einen Ausgleich oder Sieg wurden aber wiederum in der letzten Aufnahme dieser Partie „weggeballert“ – 13:7 hieß es schließlich für die Mannschaft des D.U.C. Nice.
Ex-Weltmeister Kaled Lakhal machte „kurzen Prozeß“.
In der Mixte-Partie dieser Begegnung ließ sich der ehemalige Weltmeister Kadel Lakhal nicht soviel Zeit. Durch hohe Präzision und eine schulbuchmäßige Taktik schlug seine Mannschaft den belgischen Gegner mit 13:3 in sechs Aufnahmen.
Bei Auderghem gegen Nice hieß es also nach dieser Runde 0:2 für Frankreich.
Odin Hannover findet nur schwer in die Partien
Die Hannoveraner erwischten gegen Valde Maire einen denkbar schlechten Start. Schon nach kurzer Zeit lagen sie in beiden Partien hoch zurück, im Triplette 2:9 und im Mixte 4:11. Das Triplette mit dem offensichtlich gesundheitlich angeschlagenen Marco Schumacher musste sich schließlich schnell mit 4:13 geschlagen geben – das Triplette Mixte mit den deutschen Spitzenspielern Sascha von Pless und Jan Garner hielt noch tapfer gegen den Druck der starken Italiener. Bis auf 8:11 kamen die jungen Spieler, ergänzt durch Lea Kleinspehn, sogar noch heran. Zwei Punkte der erfahrenen Spieler aus Valdemaire beendeten dann allerdings den Traum vom Sieg, sie gewannen mit 13:8.
Also auch hier ein 2:0 in Spielen zu Gunsten der Italiener.
Diese Runde war gegen 10:45 Uhr recht schnell beendet und es konnte also um 11:00 Uhr weitergehen, mit den Partien der nächsten Runde: zwei Doublettes und einem Doublette-Mixte.

Odin Hannover im Triplette gegen Valle Maire.
Zwei Doublette und ein Doublette Mixte gegeneinander.
Hier ließen die Franzosen nichts anbrennen. Nach kurzer Zeit wurde ein Doblette und das Doublette-Mixte mit 13:2 und 13:5 gewonnen. In ersterer Partie zeigte Philippe Quintais deutlich, warum er 12 mal Weltmeister geworden ist: Bis zu drei gegnerische Kugeln gleichzeitig schoß er mit einem Carreau vom Platz – es war eine reine Augenweide!
Lediglich das belgische Doublette mit Jean-François Hermond und Jean-Claude Brohée konnten sich etwas länger gegen ihre Gegner zur Wehr setzen, verloren aber schließlich auch mit 7:13.
Jan Garner startet den Weckruf für sein Team
Wesentlich weniger deutlich dafür die Partien von Odin Hannover gegen Valde Maire. Hier kämpften Jan Garner und Lea Kleinspehn in einer zähen Partie um Punkt für Punkt. Die Ergebnisse der einzelnen Aufnahmen sprechen Bände – 0:2, 0:3, 3:3, 4:3, 4:6, 5:6, 5:9, 7:9 – es war ein reines hin und her und mit fortschreitendem Kampf um jede Kugel war es fast nur noch eine Frage der Zeit, wann die erste der beiden Mannschaften einbrechen würde – aber hierzu kam es nicht. Bis zum Schluß wurde taktiert und gerungen – und schließlich konnten die jungen Deutschen die Partie mit 13:12 für sich entscheiden.
Das Doublette mit Marcel Franke und Marco Schumacher musste sich dagegen schnell geschlagen geben, in nur einigen Aufnahmen wurden sie von ihren italienischen Gegnern mit 3:13 vom Platz gefegt.
Anders Sascha von Pless, der mit Bernd Hoffmann equipiert war. Das Ergebnis seines langjährigen Spielpartners Jan Garner gab ihm neuen Schwung. Auch er stemmte sich gegen die souverän auftretenden, älteren Herren aus Italien. Jeder Carreau wurde mit einem solchen beantwortet, bei einem Loch wurden taktische Kugeln sicher als Devant gelegt – auch hier ging es Punkt für Punkt hin und her.
In der letzten Aufnahme blitzte dann eine Chance für die jungen Hannoveraner. Die Italiener waren leer und Sascha hatte beim Stand von 9:11 mit seiner letzten Kugel die Chance für 4 zu schießen. Alles konzentrierte sich auf diese letzte Partie in der Halle. Als Sascha den Kreis betrat war es totenstill – allergrößte Spannung bei Publikum und Spielern. Sascha ließ sich die gebotene Zeit zur Vorbereitung seines Schusses, prüfte immer wieder seinen sicheren Stand. Dann holte er aus, schwang ruhig und gerade nach vorne, seine Kugel fliegt in hohem Bogen und schießt krachend den „Rettungsanker“ der Italiener vom Platz! 13:11 für Hannover – hier stand es nun nach den ersten beiden Runden 3:2 in Spielen für Valdemaire, für Hannover war mit zwei Siegen in der letzten Runde noch alles drin!
– Fortsetzung folgt –
Hier geht es zu einer Bildergalerie mit Impressionen vom EuroCup-Finale!