WM Pattaya, Thailand – Teil 6


Gruppe D:

Frankreich 2, Finnland, Großbritannien, Spanien, Polen, Norwegen
In dieser Sechsergruppe spazierte der noch amtierende Weltmeister durch die Vorrunde – zwei Spiele mit einer Fanny und zwei mit jeweils nur einem Gegenpunkt absolvierend. Lediglich im letzten Aufeinandertreffen mit Spanien gab es ’nur‘ einen 13:9 Sieg der Franzosen.
Die Spanier hingegen konnten nicht überzeugen.
Neben der erwähnten Niederlage gegen den Weltmeister verlor diese Equipe ebenso gegen Finnland wie auch gegen Großbritannien. Das reichte nur zu einem alles in allem enttäuschenden vierten Gruppenplatz. Die Finnen, die in ihrem WM-Troß wie die Schweden zahlreiche Anhänger dabei hatten, die das rundherum positive Auftreten der Suomi-Mannschaft auf viel Film und Bildern bannten, eroberten Rang Zwei und brachten sich dadurch in eine gute Ausgangsposition für die zweite Poulerunde, das Sechzehntelfinale.
Großbritannien vertraute einmal mehr auf erfahrene Größen wie Jerôme Rousseau oder Vanessa Webb.
Ihnen gelang mit Platz Drei der Gruppe ein schöner Achtungserfolg. Der deutliche 13:8-Sieg gegen Spanien war ein krönender Abschluß.
Polen und Norwegen hatten hier in der Gruppe das Nachsehen.
Gruppe E:

Belgien, Italien, Australien, Neuseeland, Japan, Taiwan
Die auf dem Papier leichteste Gruppe. Vor der letzten Runde waren die beiden klaren Favoriten aus Europa, Italien und Belgien, punktgleich an der Spitze der Tabelle.
Sie hatten vorher keinen nennenswerten Widerstand erfahren. Das Spiel um den Gruppensieg entschieden die Belgier mit 13:0 für sich, eine vielleicht taktisch kluge Niederlage der Italiener, ersparten sie sich dadurch doch den Gang in die spätere Todesgruppe um Kroatien, Spanien und Tahiti, der sich nun Belgien anschließen musste und die ihnen schließlich auch zum Verhängnis werden sollte.
Australien platzierte sich hingegen im Niemandsland der Tabelle – zu schwach besetzt, um die Europäer zu gefährden, zu stark für die anderen pazifischen Vertreter, von denen Neuseeland das glücklichste Ende für sich hatte, bei 1:4 Siegen als Vierter gerade noch ins Sechzehntelfinale zu rutschen. Japans Team um Trainer und Coach Adrian Bühler hatte das Nachsehen. Schwere Zeiten dürften den Schweizer nach Japan zurückgekehrt wohl erwarten. Taiwan – immerhin Neuling mit 2006 bereits über 9.000 Lizenznehmern (nirgendwo anders auf der Welt ist das Pétanque in den letzten zwei Jahren stärker expandiert als auf der China vorgelagerten Insel), zeigte sich auf seiner ersten WM als Team sympathikus, kontaktfreudig, erfahrungshungrig, lernbegierig. Natürlich fehlte es auch nicht an einer Einladung zu einem taiwanischen Turnier an das deutsche Nationalteam.
Gruppe F:

Elfenbeinküste, Tahiti (fr. Polynesien), Seychellen, Tschechien, Ungarn, U.S.A.
Die US-Amerikaner reisten mit einer starken New Yorker Abordnung an, angeführt von alten Bekannten wie Yngve Biltsted und Eric Stone-Sweet.
In einer Pause teilte mir Yngve sein Dilemma mit: Unmittelbar vor Beginn der WM von der genau entgegengesetzt der Welt liegenden Ostküste der Vereinigten Staaten angekommen, standen die Spieler von Anfang an „more dead than alive“ auf dem Platz und „spielten auch so“. Ergebnis war der letzte Platz in dieser auch für die US-Amerikaner eigentlich machbaren Gruppe. Alle Spiele verloren.
Ungarn und Tschechien spielten den vierten Qualifikanten aus. Die Seychellen waren Nutznießer dieser an starken Teams armen Gruppe. Hier, wie schon parallel in Gruppe E machten eigentlich nur zwei Teams, Tahiti und die Elfenbeinküste, die Plätze Eins und Zwei unter sich aus. Die Westafrikaner gewannen den direkten Vergleich klar mit 13:3 für sich.
Gruppe G:

Marokko, Schweden, Senegal, Djibouti, Slowakei, Indien, Litauen  
In keiner anderen Gruppe traten die Leistungsunterschiede deutlicher hervor als in diesem Poule.
Von WM-Titelaspirant Marokko bis hinunter zu den Boulespielern Indiens, die die ersten Begegnungen noch mit nicht zugelassenen chinesischen Hobbykugeln spielten (bis ihnen wohl einer sagte, dass das eigentlich nicht erlaubt sei) und zu dem reisefreudigen Litauer-Unternehmerausflug waren alle Leistungsstufen vertreten.
Es leuchtet ein, dass, wenn es eigentlich keine gleich starken Teams in einer Gruppe gibt, die Ergebnisse eintönig sein müssten und die Spiele von kurzer Dauer.
Genau letzteres trat auch ein. Nur bei einer von den insgesamt 21 Begegnungen dieser Gruppe gab es ein Ergebnis, das die Marke von 13:6 ‚durchstieß‘ (Litauen verlor hierbei 10:13 gegen die Slowakei).
Dementsprechend war es auch eine Gruppe ohne jegliche Überraschung, die die Marokkaner vor den Schweden sah. Der Senegal und Djibouti qualifizierten sich ebenso problemlos für das Sechzehntelfinale. Die Slowakei, Indien und Litauen mussten in den Nationencup.
Gruppe H:

Tunesien, Kanada, Monaco, Dänemark, Niederlande, Weißrussland
Nach Poule B der einzig wirklich schwere Poule dieser Vorrunde. Gleich fünf Teams rechneten sich berechtigte Chancen auf das Erreichen des Sechzehntelfinales aus. Ein Team musste also auf der Strecke bleiben. Tunesien, gespickt mit ehemaligen Weltmeistern (Atallah 2004, Lakhal und Lakili 1997) und einem Nachwuchstalent, gab sich keine Blöße und wurde Gruppensieger.
Überraschend stark die Monegassen und vor allem Kanada um den ehemaligen TdP-Medaillengewinner Thomas Pouplot.
Dänemark schlug die Niederlande mit 13:5, was letztendlich entscheidend für den vierten Tabellenplatz war. Jenseits der Normalform erspielten sich die Holländer nur einen Sieg gegen Anfänger und Schlußlicht Weißrussland. Als besonders bitter wurde beim Team Oranje die abschließende 3:13 Niederlage gegen Monaco empfunden.
War die Anreise womöglich unmittelbar vorher am Wochenende erfolgt und hatte so ein besseres Abschneiden mit verhindert?
Die Spieler aus Weißrussland waren in dieser Gruppe überfordert und bekamen drei Fannys, eine zu-Eins und eine zu-Sechs Niederlage.
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Nachgehakt
Martin Winter – Organisator des Grand Prix Zürich und Coach der litauischen Equipe, stellt das litauische Video zur WM vor:

Einen Hintergrundbericht zur WM von ihm geschrieben kann man unter boulistenaute.com (nur in französischer Sprache) lesen:
„Pétanque Pattaya : Tu tires ou tu pointes ? Sorry, what did you say ?“
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Der Wettbewerb: TIR DE PRECISSION – DAS PRÄZISSIONSSCHIESSEN

47 Einzelspieler aus ebensoviel Nationen traten zu Beginn der Weltmeisterschaften an, die 4 direkten Qualifikationsplätze für das Viertelfinale zu bestimmen.
Die Platzierungen 5 bis 21 reichten ferner dazu aus, in einem gesonderten Durchgang, der sogenannten Repechage, die restlichen vier Teilnehmer zu bestimmen.
Von Benin trat als einzigem Land der WM-Teilnehmer kein Spieler an.
Da sechs Plätze für den Tir de Précision aufgebaut waren, ging es rasch voran und schon nach weniger als vier Stunden war Mittwoch abends die erste der Runden absolviert und 26 Spieler bereits ausgeschieden. Überraschend dabei bereits das Ausscheiden der Spieler Benjamin Debos (Jugendeuropameister 2002 im Tir de Précission) aus Monaco, Mario Fernandes aus Portugal, Björn Ivarsson aus Schweden und vor allem das Ausscheiden von Sami Atallah
(Tir-Weltmeister von 2004) aus Tunesien.

Jannik Schaake hatte von uns den Auftrag erhalten, am Wettbewerb teilzunehmen.
Kompliment an Daniel Voisin, wie er Jannik eine Stunde vor dem Wettbewerb auf dem Terrain vor der Halle intensiv auf seinen Auftritt nochmals vorbereitete. Die Lichtverhältnisse draussen wurden, da der Abend nahte schlechter und das Gelände war uneben und abschüssig.
Schwierig für Jannik, hier viele Treffer zu markieren. Nach dieser intensiven, schweren Aufgabe waren für Jannik die Verhältnisse in der Halle geradezu optimal zu nennen. Gutes Licht, ein bestens präparierter Boden, angenehme Temperaturen und das Schußgelände ganz seitlich rechts, so daß nur das Treiben auf dem Schießgeläuf links von ihm seine Konzentrationsphasen stören konnte.

Er legte gleich richtig los: Surplace, Surplace und Treffer, Treffer folgten. Schon am ersten Atelier mit 16 Punkten und insbesondere bei den ersten beiden Kugeln bemerkte man seine Sicherheit: Er war gut eingeschossen.
Das zweite und vierte Atelier (Cochonnet vor Kugel und Kugeln hintereinander), seine beiden sonst schwächeren Ateliers, lagen aber noch vor ihm.
Er begann gleich wieder mit einem Fünfer zu Beginn des zweiten Ateliers – 21 Punkte nach fünf der zwanzig Schuss. So konnte es eigentlich weitergehen. Begeisterung bei den Zuschauern! Plötzlich galt ihm das vornehmliche Interesse des Publikums!
Leider erwischte er wieder die Schweinchen bei den darauffolgenden Treffern, so dass er mit jenen fünf Punkten auch das zweite Atelier abschloss.
Bei Atelier Drei hatte er zweimal Pech, als seine Trefferkugel jeweils eine der seitlichen schwarzen Kugeln berührte. Drei von vier Treffern also, ein Surplace war dabei und sieben Punkte holte er aus dieser Übung. Das für ihn schwierigste Atelier, das Vierte, beendete er mit einem Treffer auf die Maximaldistanz.
Die übrigen gingen entweder links seitlich daneben oder darüber. Damit lag er vor den Schüssen auf das Cochonnet bei 31 Punkten.
Dieses letzte Atelier, eine Domäne der erfahrenen Schützen aller vorangegangenen Meisterschaften, beendete er mit den besten Schießern dieser WM ‚auf Augenhöhe‘ – drei Treffer; zweimal (6 und 8 Meter) lief das Cochonnet aus dem Kreis, mit dem letzten Schuß auf 9 Meter berührte sein Schuss nochmals das Schweinchen, was weitere drei Punkte zum Gesamtpunktestand von 44 einbrachte.
Damit hatte er zu diesem Zeitpunkt (rund zwei Drittel aller Spieler waren vor ihm an der Reihe gewesen) an dem Esten Veiko Proos (42) vorbei Rang zwei hinter Doppelweltmeister und Titelverteidiger Thaleungkiat Phusa-Ad (46) bedeutete.
Einige starke Schiesser standen noch aus. Von diesen schafften es allerdings nur noch Jean-Claude Bedi (Elfenbeinküste, 48) und Yann Nauta (französ. Polynesien, 52), an ihm vorbei zu ziehen. Letzter Teilnehmer war Thomas Pouplot, Bronzemedaillengewinner von 2005 aus Kanada, der ihn von der direkten Qualifikation fürs Viertelfinale noch verdrängen konnte. Bis zum letzten Atelier bestand für den Kanadier, der viel zu lange brauchte, um eine Kugel zu werfen und sich keinesfalls an die erlaubte Zeitvorgabe hielt, die Chance, an Jannik vorbeizuziehen. Beim Sauschuss versagten dem jungen Québecer allerdings dann die Nerven.

Bild: Jannik konnte sich locker zurücklegen, während Thomas Pouplot bereits seine Chancen für die direkte Qualifikation im letzten Atelier verspielt hatte.
Jannik Schaake: / 5 – 5 – 3 – 3 / 5 – 0 – 0 – 0 / 1 – 5 – 1 – 0 / 0 – 0 – 0 – 3 / 5 – 0 – 5 – 3 / Gesamt: 44
Jannik hatte es geschafft. Es gab viele Gratulanten, nicht nur Deutsche, auch viele andere Spieler, Offizielle und Coaches beglückwünschten den jungen Deutschen auf diese sportlich faire Weise. Seit diesem Wettbewerbsdurchgang am späten Abend des ersten Wettkampftages hatte Jannik den Nimbus eines Jungstars im Athletics-Stadion, den die Zuschauer lieben und mit dem man sich gerne fotografieren läßt. Niemals zuvor habe ich es erlebt, dass ein deutscher Spieler genauso für ein gemeinsames Foto gefragt ist wie etwa ein Pascal Milei oder Philippe Quintais.
Schon zum dritten Mal ist ein deutscher Spieler in das Viertelfinale eines Tir de Précission Wettbewerbs auf einer Senioren Weltmeisterschaft vorgestoßen:
2004 gelang dies erstmals Kim Rieger in der Repechage (mit damals 52 Punkten war es übrigens ein deutscher Rekord) und ein Jahr darauf in Brüssel Sascha Koch mit dem vortrefflichen zweiten Platz in der Qualifikation. Beide schieden daraufhin im Viertelfinale aus.
Die deutschen Schießkünste gehören also zumindest in diesem Wettbewerb mittlerweile zur Weltspitze.
Würde Jannik auch erstmals ein Viertelfinale für Deutschland siegreich beenden können? Doch schon jetzt war seine erbrachte Leistung eine der Sensationen dieser WM, die auch immer wieder diskutiert wurde.

Jedenfalls, Fans hatte er auf Anhieb schon einmal gewonnen. Die folgenden Tage musste er sich noch häufiger für Fotos aufstellen. Junge thailändische Teenager ’standen da genauso drauf‘ wie sportinteressierten Zuschauer, bei denen sich die Ehefrau oder Freundin noch einmal schnell vom Ehemann oder Freund mit Jannik ablichten lassen wollte.

Bild: Jannik im Viertelfinale   
Das VIERTELFINALE des Tir de Précission:
Die Repechage (neuerdings auch Rattrapage genannt) entschied Pascal Milei mit deutlichen 47 Punkten für sich.
Auf den Plätzen folgten der 21-jährige Abdessanad Menkari, dessen grosses Talent mir bei seinem ersten WM-Auftritt 2005 in Brüssel schon aufgefallen war, als er noch mit dem erfahrenen Mehrfachweltmeister Hafis Alaoui eine nicht unkomplizierte Achse im marokkanischen Spiel bildete.
Außerdem qualifizierten sich noch der bis dahin völlig unbekannte Madagasse Sylvain Rakotoarivelo sowie der zur Überraschung aller Fachleute ins Viertelfinale vorstossende Chinese Han Liqiang.
Mitfavoriten wie Dutto (Italien), Martinez (Spanien), van der Biest (Belgien) und Pouplot (Kanada) hatten das Nachsehen.

Nach dem Modus musste nun also Janniks Viertelfinalspiel gegen Pascal Milei aus Frankreich lauten.
Die Viertelfinalbegegnung war keine einseitige Angelegenheit, sondern entschied sich erst mit Janniks Fehlschuss auf das Cochonnet im letzten Atelier auf 8 Meter.

Dabei hatte Milei bei seinem Treffer auf sechs Meter im dritten Atelier ausserordentliches Glück, da der Schiedsrichter die Kugelberührung des Retros mit der schwarzen Kugel nicht erkannte (obwohl sich diese deutlich vom Platz bewegte) und fünf Punkte statt dem normal daraus resultierenden einen Punkt vergab. Die Reaktion der Zuschauer fiel wie erwartet lautstark aus, doch seine Entscheidung revidierte der Schiedsrichter nicht (200 hatten es gesehen – nur einer nicht).

Bei sechs Metern im vierten Atelier stand Milei, als Linkshänder mit seinem rechten Fuss immer haarscharf parallel zur Kreisumrandung platziert, deutlich mindestens einen Zentimeter oder mehr auf dem blauen Kunststoff. Doch das Heben der roten Karte bei Übertritt (auch seitlichem Übertritt!) blieb aus.
Die drei Punkte für seinen Treffer hier waren also auch in Frage zu stellen. Insgesamt hätte die korrekte Behandlung dieser beiden Situationen Jannik sicherlich geholfen, dem Spiel beim daraus resultierenden, ähnlichen Punktestand bis zuletzt eine grosse Spannung abzuringen – vielleicht dann ja mit einem glücklicheren Ende für den Deutschen?

Pascal Milei: / 3 – 0 – 3 – 5 / 5 – 3 – 3 – 0 / 5 – 0 – 3 – 0 / 3 – 0 – 0 – 0 / 5 – 3 – 0 – 3 / Gesamt: 44
Jannik Schaake: / 5 – 3 – 3 – 3 / 1 – 0 – 3 – 0 / 0 – 1 – 1 – 1 / 0 – 1 – 0 – 0 / 5 – 5 – 0 – 3 / Gesamt: 35
    

Die übrigen Viertelfinalergebnisse sahen Yann Nauta als Sieger gegen Han Liqiang (33:32).
Sylvain Rakotoarivelo gewann gegen Jean-Claude Bedi (32:20).
Abdessanad Menkari siegte in einem packenden Zweikampf gegen Titelverteidiger Thaleungkiat Phusa-Ad (46:44).

Platz Fünf ist für Jannik Schaake ein hervorragendes Ergebnis. Schade nur, dass Viertelfinalverlierer durch die F.I.P.J.P. weder eine besondere Erwähnung
noch Würdigung erfahren. Hier gilt es, in Zukunft etwas im Denken zu bewegen.