10. Jugend-WM in Montreal/Longueuil

Für Florian Korsch, Richard Glattfelder und Martin Barr war sie Höhepunkt und Abschluss in der DPV-Jugendnationalmannschaft, für Lars Schirmer nach dem Nordseecup der zweite internationale Einsatz.

Alle 4 denken sicher noch lange mit einem lachenden und einem weinenden Auge an diese WM in Kanada zurück. Der lange Rückflug gibt mir die Zeit, einen kleinen Rückblick zu halten, dennoch sind die Erinnerungen ganz frisch.

Für mich war dies jetzt die 4.Jugendweltmeisterschaft, die ich mitmachte. Aber noch nie habe ich in diesen 6 Jahren ein Team gesehen, das so eine WM dominierte wie die Franzosen in diesem Jahr. Zweimal hintereinander gingen sie vorher leer aus. Sogar bei der WM im eigenen Land, der Tireur nicht unter den letzten 8, das Team von Deutschland besiegt auf dem ausgespielten, 7. Platz.
Nach einem einseitigen Finale hatte ich Gelegenheit, mich mit dem Coach François Galvez und dem Trainer Jean-Claude Marié zu unterhalten, nach den Gründen für diese positive Entwicklung zu fragen. Beide sagten mir, dass sie die letzten beiden Jahre hart dafür gearbeitet haben, spezielle Trainingsprogramme entwickelt und das Team zu einem harmonischen Ganzen geformt haben. Und was entscheidend war, die Franzosen konnten ihre Bestleistungen fast immer punktgenau abrufen.
Lediglich die Schweiz konnte im Gruppenspiel mithalten, zwang die Favoriten zum Legen und störte dadurch ihr typisches Angriffspiel. Wir hatten zweimal das Vergnügen, oder das Pech, gegen die Franzosen zu spielen und dabei zweimal keine Chance. Einmal 4 und einmal 1 Punkt waren die Ausbeute.
Selbst die sonst ebenfalls dominierenden Spanier schafften im Endspiel (in der ersten Aufnahme) gerade mal 2 Punkte.
Jede WM hat im Laufe des Turniers ihre Publikumslieblinge.
In Phuket/Thailand war es das finnische Team, das es bis ins Endspiel schaffte und gegen Frankreich eine starke Leistung zeigte. In Lons-le-Saunier war es zunächst Dominique Tsouroupa, der bei der 1. Tireur-WM mit 44 Punkten in der Vorrunde für Aufsehen sorgte. Später dann der erst 13jährige „King Edward“, wie ihn die französische Presse taufte, der kleine Tireur im schwedischen Team, der seine Partner ins Finale schoss. Diesmal war es wieder ein 13jähriger – Dylan Rocher, Sohn des amtierenden Weltmeisters Bruno Rocher.

Dylan Rochers Trefferquote über das ganze Turnier lag weit über 90% und wenn er, was selten vorkam, legen musste, schraubte er wunderschöne Portées in den Hallenhimmel. Für mich ein absoluter Ausnahmespieler, ich hoffe nur, dass er auf dem Boden bleibt. Ich konnte ihn im Februar beim Bol d’Or in Genf schon bewundern. Dort spielte er im Team der Weltmeister für den verhinderten Leboursicaud als Tireur.
Doch nun zu unserem Team. Beim Nordseecup haben sie mit ihren 11 Siegen erheblich zum Gesamtsieg beigetragen. Entsprechend hoch waren jetzt die Ansprüche, die sie vor allem an sich selbst stellten. Und ich bin mir sicher, dass da schon der Hauptgrund zu finden ist, warum nicht alles so gut lief, wie es hätte laufen können.
In den Gruppenspielen schafften es alle 4 nicht, auch nur 50% ihrer ganz normalen Leistung abzurufen. Mit einer Ausnahme im Spiel gegen Estland, den späteren WM-Dritten, der mit Fanny vom Platz gefegt wurde.
Vor diesem Spiel haben wir intensive Gespräche geführt und vor allem mental die Jungs vorbereitet. Aber schon beim nächsten Spiel gegen Marokko war wieder alles wie gehabt. Das Problem lag vor allem beim Schießen, und das, obwohl zu Hause alle 4 als gute Tireure bezeichnet werden können. Aber eine WM hat eben ihre eigenen Gesetze. Zum Glück machten auch hier alle 4 als Leger ihre Sache bestens, konnten so viele kritische Situationen bereinigt werden, die durch ein oder mehrere Löcher entstanden waren.
Ich möchte in meinem Resumée nicht auf einzelne Spiele eingehen, alle Ergebnisse sind unter www.petanque.qc.ca zu finden. Vielmehr möchte ich Ansätze suchen, das schon verhältnismäßig hohe Niveau unserer Jugendspieler zu fördern und zu stabilisieren. Viele dieser Schwankungen in der Spielstärke liegen meiner Meinung nach im mentalen Bereich. Beispiele hierzu gab es bei dieser WM genügend zu sehen, nicht nur bei unserem Team. Aber auch in der Spieltechnik waren einige Lücken zu sehen, die in Zukunft rechtzeitig vor einer WM geschlossen werden müssen. Mir fiel auf, dass das Spiel mit dem Boden nicht immer klappte – und der Boden hatte außer Unebenheiten keine wirklichen Schwierigkeiten zu bieten.
Bei einer WM ist es leider so, dass jeder eigene Fehler, sei es ein Loch oder eine verlegte Kugel, einen Punkt für den Gegner bedeutet – es sei denn, dieser macht ebenfalls Fehler. Nur ein Beispiel:
Der Gegner legt auf Martins zweite Kugel 4 Kugeln, die alle nach links laufen und dort ein richtiges Nest bilden. Für mich ist es dann unverständlich, dass von unseren 4 verbleibenden Kugeln nochmals 2 in dieses Nest gelegt werden.
Aber auch beim Schießen besteht Übungsbedarf. Auf einem Boden wie in Longueuil darf einfach nicht zu lange geschossen werden. Ein weiterer Übungsansatz: Eine 50 cm vor der Sau liegende Kugel nicht nur einfach nur wegballern, ein weicher Schuss ist da viel effektiver und die Chance für ein Pallet groß. Wer aber solche Sachen nicht trainiert, hat im entscheidenden Augenblick auch nicht den Mut und das Gefühl der Sicherheit zur Umsetzung.
Jean-Claude Marié sagte mir auch, dass die größten Unterschiede zwischen den deutschen und französischen Spielern im taktischen Bereich zu finden sind.
Fazit: alle drei Bereiche müssen also trainiert werden – dazu brauchen auch die Jugendlichen mehr Bewegung bei internationalen Turnieren. Denn dort ist erstens das Niveau ein ganz anderes und zweitens ist die Wettkampfatmosphäre so ähnlich wie bei einer WM oder EM.
Mit dem Ergebnis 5. Platz können wir sehr zufrieden sein, denn mit etwas Losglück wären wir vielleicht Vizeweltmeister geworden. Im Gegensatz zu der WM der Frauen in Maspalomas, wo nur einmal gelost wurde und dann ein gleicher Gegner erst wieder ab Halbfinale möglich war, wurde in Kanada das Viertelfinale frei ausgelost. Als wir zum Ziehen an der Reihe waren, gab es nur noch zwei Briefumschläge mit den Gegnern Frankreich und Dänemark. Das Los(un)glück bescherte uns dann Frankreich zum zweiten Mal und damit das Aus. Dänemark verlor 0:13 gegen Estland, Estland, den späteren WM Dritten, hatten wir zuvor 13:0 geschlagen.
Wenn man die Spielstärke realistisch betrachtet, gibt es derzeit ein Superteam aus Frankreich und eine starke Gruppe, in der Jeder Jeden schlagen kann: Italien, Spanien, Tunesien, Holland, Schweden, Belgien, Schweiz und Deutschland.
Noch ein Wort zum Veranstalter. Die Helfer von Longueuil taten wirklich alles, um den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Auch wenn das kanadische Essen sehr gewöhnungsbedürftig war, konnte jeder in dem Angebot etwas schmackhaftes finden. Die Halle, normalerweise ein Eishockeystadion, war gut präpariert, der Boden wurde laufend gepflegt und angefeuchtet.
Für die Tireure war es ein schussfreudiger Boden. Rund 200 Zuschauer waren immer anwesend. Zum Endspiel schätze ich mal waren es gut 600 Zuschauer.
Auch politische Prominenz war zur Eröffnung mit dabei. Der Transport Halle Hotel klappte fast fehlerfrei und das Hotel – das Frühstück mal ausgenommen – war ebenfalls bestens.
Wir nutzten am Montag die Wartezeit auf den Rückflug zu einem Kurzbesuch der Millionenstadt Montreal. Das gemeinsame Mittagessen in Chinatown war einer der Höhepunkte, neben dem Besuch der Vieux Montreal und dem Hafen. Kein Höhepunkt war der Rückflug mit Air France. Da unser Flug verspätet war, hetzten wir im Laufschritt zum neuen Gate für den Weiterflug von Paris nach Frankfurt. Dort angekommen stellten wir fest, dass das Gate kurzfristig gewechselt wurde. Weiterrennen – aber zu spät: Vor unserer Nase schloss man den Schalter, das Flugzeug stand zwar vor uns, aber wir durften nicht mehr mit, weil unser Gepäck nicht so schnell rennen konnte wie wir. Also wieder 3 Stunden warten.
Im Minijet gings dann weiter nach Frankfurt, wo dann Florian und Lars vergeblich auf ihre Koffer warteten. Dass alle anderen gebuchten Anschlüsse nicht mehr klappten, bräuchte ich eigentlich nicht zu erwähnen.Nach 20 Stunden war ich dann endlich zu Hause.
Ich hoffe, dass die Fotos einen kleinen optischen Eindruck dieser WM vermitteln. Eines empfehle ich der Betrachtung besonders, das Team des Weltmeisters mit allen Betreuern – wirklich professionell. Und „Inoffizielle“ gab es bei ihnen zusätzlich in gleich grosser Anzahl.