Bundestrainer-Teilseminar / Bewegungswahrnehmung und Bewegungsgefühl



Die Trainerakademie Köln des DOSB e.V.
Zentrale Aus- und Fortbildungsstätte für Trainerinnen und Trainer im Leistungssport
Geleitet von Professor Arturo Hotz fand dieses thematisch auf den ersten Blick klar begrenzte, in seinem Verlauf und in der Art der Entwicklung und Präsentation aber enorm vielschichtige und dadurch spannende Seminar an der Trainerakademie Köln des Deutschen Olympischen Sportbundes statt.
Eine Bericht von Klaus-Dieter Wiebusch, Trainerausschussmitglied im DPV
Menschliche Wahrnehmung ist für den Menschen abstrakt und konkret zugleich – Abstrakt insofern, als sie in ihren grundlegenden Funktionsmechanismen nur unzureichend beschrieben werden kann – konkret in der Lebens- und Arbeits- (Trainings-) Situation, weil nur auf der Grundlage von Wahrnehmung gearbeitet (trainiert) werden kann.
Um gezielte Handlungen ausführen zu können sind sensomotorische, kognitive und perzeptive, aber auch emotionale Leistungen notwendig. Erst das Zusammenwirken all dieser Leistungen ermöglicht eine geplante, zielorientierte Bewegung.

Die Effektivität eines motorischen Lernprozesses hängt ganz entscheidend davon ab, wie differenziert und präzise die für den Bewegungsablauf notwendigen Informationen aus dem eigenen Körper und der Umgebung wahrgenommen (empfunden) werden und als Bewegungsgefühl bewusst werden. Hier tut sich das Spannungsfeld auf zwischen der Innensicht des Sportlers und der Außensicht des Trainers.
In jedem Sport ist ein gut ausgeprägtes Bewegungsgefühl Voraussetzung für das Erreichen sportlicher Höchstleistungen und kann zielgerichtet geschult werden. (Sensibilisierungstraining / Wahrnehmung).
In der Philosophie gilt der Gleichklang von Funktion, Struktur und Form. Wir lernen analytisch zu denken, berücksichtigen dabei aber zuwenig das Funktionelle. Auf unsere Trainerarbeit ergibt sich aus diesem Ansatz heraus die Frage: Wie können wir neue Techniken erfinden für unsere Sportart? (Wie und wieso kam es zum Fosbery – Flop?)
Durch die Wahrnehmung erfahren wir die notwendige Orientierung, durch Differenzieren erfolgt die Interpretation und durch Integrieren erzielen wir die Wirkung. Dies ist der Dreiklang der nach Arturo Hotz zur Quintessenz der Wesentlichen (5! Die Quinte) koordinativen Fähigkeiten führt, nämlich: (re)agieren – rhythmisieren – orientieren – differenzieren und integrieren.

Aus dem Beobachten – Beurteilen und Beraten soll so das Erwerben – Anwenden und Gestalten werden. Die Bewegungsvorstellung führt direkt in das Zentrum des mentalen Trainings. Der Athlet muß spüren (die Bewegung), „so fühlt sich das an, wenn ich es so ausführe“. An diesem Punkt stellt sich zwangsläufig die Frage ob wir zu früh technische Abläufe vermitteln, ob wir nicht besser den Athleten selber seine Technik herausfinden lassen? Bringen wir ihn weg vom bloßen Imitieren hin zu einem bewussten Nachkonstruieren?!
Es würde weit über einen kurzen Bericht hinausgehen, sollte ich alle Gedanken, Anregungen, Anstöße und Aha-Erlebnisse, die durch Prof. Arturo Hotz (A.H.(a)) in diesem Seminar vermittelt wurden, hier erörtern wollen und so will ich diesen Teil meines Berichtes schließen mit einem Zitat aus einer Arbeit von Prof. Hotz: „Bedenk und handle danach, dass Bewegungsgefühle stets durch Erfahrung gewonnene subjektive Referenzwerte sind und zwar der wahrgenommenen Qualität der eigenen Bewegungskoordination!“

Die Seminarteilnehmer nahmen gerne die Gelegenheit wahr, an zwei Tagen die World Equestrian Games 2006 in Aachen zu besuchen, wo sie neben der Möglichkeit die erste Wertungsprüfung der Springreiter zu beobachten auch eine Übersicht und Darstellung der Dimension dieser Veranstaltung durch den Geschäftsführer des DOKR, Herrn Reinhardt Wendt, erhielten.
Die abendliche Diskussion und Aufarbeitung der mit diesem Besuch verbundenen Beobachtungsaufgabe war äußerst intensiv und substantiell dabei durchaus kontrovers und dadurch gewinnbringend für Alle.
Als Vertreter des Pétanquesportes war eine häufig an mich gestellte Frage: Was ist das für eine Sportart? In Absprache und auf Anregung von Zlatan Siric-Bernhard nehme ich gerne diese Plattform wahr, um etwas Werbung in eigener Sache, dem Pétanquesport, zu machen.
Pétanque gehört zu den sogen. Kugelsportarten wie auch Boule oder das durch Konrad Adenauer auch in Deutschland bekannte Boccia. Neben den nur noch regional ausgeübten Spielen wie Boule Lyonnaise und Jeu Provencal ist heute das populärste und am weitesten verbreitete Boule (= Kugel) – Spiel das Pétanque. Was ist nun der Unterschied zwischen Boule und Pétanque? Nun, es verhält sich hier in etwa so wie die Differenzierung zwischen Ping-Pong und Tischtennis oder Federball und Badminton. Pétanque in seiner leistungssportlichen Form wird gespielt nach den Regeln der FIPJP ( Federation International de Pétanque et Jeu Provencal ) und den Standards des internationalen und nationalen Verbandes. Darüber hinaus wird Boule gespielt als Gesundheitssport, Ausgleichssport (auch für Sportler aus anderen Sportarten, ideale Zweitsportart ! ) und Freizeitsport für Jederfrau und Jedermann, Personen jeden Alters und auch bewegungsaktive Behinderte. Allen diesen Kugelsportarten ist dieselbe Spielidee zu Eigen: Eine oder mehrere Kugeln näher an der Zielkugel zu platzieren als der Gegner. Unterschiede liegen in den Abmessungen und der Beschaffenheit der Spielfelder, den Spielregeln sowie Gewicht, Größe und Material der Kugeln.
Spitzenfachverband im DOSB ist der DBBPV (Deutscher Boccia-, Boule- und Pétanque Verband – jetzt DBV ) in dem alle Kugelsportverbände organisiert sind. Größter Einzelverband ist der Deutsche Pétanque Verband ( DPV ) organisiert in derzeit 10 Landesverbänden mit ca. 600 Vereinen und etwa 14.000 lizenzierten Mitgliedern. Es ist davon auszugehen, dass ca. 150.000 –200.000 Menschen in Deutschland der Freizeitvariante im Sommer regelmäßig nachgehen. Der DPV richtet u.a. die Deutschen Meisterschaften aus und ermittelt die Teilnehmer für die alljährlichen Weltmeisterschaften. Das deutsche Herrenteam belegte bei der jetzt Ende September in Grenoble ausgetragenen WM einen beachtlichen 5. Platz unter 57 teilnehmenden Verbänden.
Wettkampfmäßig betrieben bewältigt neben den hohen Konzentrationsbelastungen (Präzisionsspiel /-sport ) ein(e) Pétanquespieler(in) im Laufe eines Turniers ein Strecke von bis zu 10 km und bewegt bis zu einer Tonne an Gewicht! Als Teilnehmer an diesem Bundestrainer Teilseminar aus einer noch wenig bekannten Spielsportart, die zu den Präzisionssportarten gehört, war der Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen anderer Sportarten sehr positiv und gab viele Anregungen und neue Erkenntnisse für den Trainingsalltag. Pétanque sollte auch von den anderen Sportarten dahingehend betrachtet und geprüft werden ob es sich nicht als ideale Ausgleichs- und Zweitsportart eignet, um Einseitigkeit zu vermeiden oder für Seiten- und Späteinsteiger nicht als sportliche Alternative in Frage kommt. Pétanque als Sport hat es sicher verdient, in der Sportartenfamilie beachtet zu werden, vermittelt es doch auch viele soziale Elemente und kann sowohl Gender Mainstreaming als auch Diversity Management auf sportlich spielerische Art vermitteln und verwirklichen lassen.
Somit bedanke ich mich abschließend sicher auch im Namen der teilnehmenden TrainerkollegInnen aufs Herzlichste bei Prof. Arturo Hotz, nicht nur für die vielen AH-Erlebnisse sowie auch bei Dr. Lutz Nordmann, dem allzeit präsenten Zlatan Siric-Bernhard, bei Frau Jäger und Allen, die zum Gelingen dieses erlebnis- und erkenntnisreichen Seminars beigetragen haben.
Dr. Klaus-Dieter Wiebusch, Pétanquesport.