Kadersichtung in Hannover 04. bis 06. Juni 2004

An dem Wochenende vom 04.06. – 06.06. 2004 traf sich das gesamte Bundeskader, Senioren, Damen und Jugend, mit den DPV-Coaches und -Sportwarten in Hannover. Zum ersten Mal dabei war Daniel Leguet, der neu verpflichtete Nationaltrainer des DPV. Am Freitag-Abend reisten die Aktiven im Hotel FORA in Hannover an, und nachdem die Akteure fast (Dani Thelen hatte Pech mit einer Verspätung bei der Deutschen Bahn) vollzählig erschienen waren ging es zunächst zum gemeinsamen Abendessen. Um 20.00 Uhr wechselten dann alle in einen Schulungsraum und man war sehr gespannt, wie sich Daniel Leguet bei den Spielern und Coaches einführen würde.

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Daniel hatte im Vorfeld Fragebögen vorbereiten lassen, die nun verteilt wurden und von den Spielern auszufüllen waren. Hierbei ging es zunächst schlicht um die Personalien, Name, Adresse, Geburtstag und darum, ob die betreffende Person bei den Senioren, den Damen oder bei den Junioren eingesetzt ist. Darüber hinaus wurde aber auch danach gefragt, welche Position jeweils im Triplette bevorzugt gespielt wird, bzw. in welcher Position der Spieler/die Spielerin in der Regel eingesetzt wird. Außerdem die Frage danach, in welchem Wettbewerb der- oder diejenige bereits vom DPV eingesetzt und welcher Erfolg dabei erzielt wurde.
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Auf einem zweiten Bogen galt es dann einzutragen, welche Erfolge der Spieler/die Spielerin für sich persönlich als die bemerkenswertesten einschätzten. Natürlich zunächst einmal die Platzierungen bei Deutschen Meisterschaften (insgesamt waren von den Kaderspielern immerhin mehr als die Hälfte schon einmal Deutscher Meister, sei es bei den Senioren oder Junioren), aber auch ganz persönlich als solche empfundene besondere Erfolge. Daniel Leguet schritt dabei in Begleitung von Klaus Eschbach durch die Reihen und ließ sich von Fall zu Fall übersetzen, was die Einzelnen da gerade zu Papier gebracht hatte – die ganze Zeit über machte er sich Notizen und in der Folge sollte es dann zu deutlichen Worten kommen, mit denen er individuell und allgemein klarstellte, was er unter einem Erfolg versteht.
So hatte zum Beispiel jemand eingetragen, dass der Sieg über eine Französische Nationalmannschaft in der Vorrunde eines internationalen Turniers zu den persönlich größten Erfolgen zähle. Daniel sah das und sagte: „Das ist kein Erfolg, das ist langweiliger Käse (sinngemäß die Red.). Eine Platzierung unter den ersten Drei bei diesem Turnier – das wäre ein Erfolg gewesen!“ – klare Worte von jemandem, der völlig frei von persönlichen Bekanntschaften urteilt und dies auch offen artikulieren kann.
Auf einem dritten Bogen wurden die Fragen dann noch konkreter – und der eine oder andere Spitzenspieler kam dabei ganz schön ins Schwitzen – hier ging es um die persönliche Einstellung und Zielsetzung:
[f]1. Was bedeutet für Dich „Pétanque auf hohem Niveau“?
2. Wenn Du zur Weltmeisterschaft fährst, was ist Dein Ziel?
3. Wieviele Stunden in der Woche oder im Monat trainierst Du?
4. Wie trainierst Du (Übungen, Spiele oder anderes) – bitte präzisieren!
5. Wie bereitest Du Dich auf ein wichtiges Turnier vor? Wie lange vorher?
6. Welche Spieler sind für Dich besonders gut oder sogar Vorbilder?
7. Welches sind Deine bevorzugten Spielpartner?
8. Gibt es einen oder mehrere Spieler im Kader, mit denen Du nicht spielen möchtest oder kannst?[/f]
Es war interessant zu beobachten, wie konzentriert und konstruktiv sich die Deutsche Nationalmannschaft mit diesen Fragen auseinandersetzte. Die Spieler führten Einzelgespräche zu den Fragen – Gespräche, die vom lockeren Scherz bis zur nachhaltigen Feststellung, dass man sich mit bestimmten Dingen noch gar nicht konkret auseinandergesetzt hatte, reichten.
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Daniel Leguet stand hierbei jederzeit zur Verfügung, und sehr schnell ließen sich anfängliche Bedenken ausräumen, dass die fehlenden Deutschkenntnisse des neuen Coach oder umgekehrt die zum Teil nicht vorhandenen Französischkenntnisse der Kaderspieler ein Problem darstellen könnten. Die jeweils der Sprachen Mächtigen übersetzten gerne, mit dem Effekt, dass es sehr schnell auch zu kleinen Gruppengesprächen kam.
Schon nach weniger als einer Stunde hatte dieses Kadertreffen einen sehr professionellen Klausur-Charakter.
Nachdem alle Bögen eingesammelt waren und den Sportlern versichert wurde, dass speziell die Antworten auf Frage 8 hoch vertraulich behandelt werden, verteilte Klaus Eschbach Unterlagen, die sich mit der Vorbereitung auf einen internationalen Wettkampf beschäftigten – hier speziell mit der Vorbereitung auf eine Weltmeisterschaft.
Diese Bögen öffneten ein Zeitfenster, dass lange vor einer WM beginnt und mitten während der WM gipfelt:
[f]Aufgaben für die Turnier-Vorbereitung: Coach und Spieler[/f]
[f]2 – 4 Wochen vorher[/f]
Im Kopf des Spielers beginnt jetzt die heiße Phase. Jetzt heißt das Ziel allen Denkens: Ich spiele die WM/EM für Deutschland. Ich bin stolz darauf, und ich werde mein Bestes geben.
Der Coach hat jetzt viel zu tun:
Psychologisches Profil eines jeden Spielers prüfen und ggfls. aktualisieren
Fragenkataloge überarbeiten und ergänzen
Gespräche mit der Kernfrage: Was tust Du und warum?
[f]Einen Tag vor der WM[/f]
Die Sportler müssen sich fühlen wie frisch verliebt – sie wollen keine Stunde mehr warten, bis es endlich losgeht. Wichtig: [f]Im Kopf wird gewonnen![/f]
Deshalb:
[f]Mentale Präparation[/f]
Pétanque = kluges und positives Denken macht jede einzelne Situation erfolgreich
[f]Medizinische Präparation[/f]
Streckung/Dehnung, Kniebeugen, Rumpfdrehen, Armschwünge, Hanteltraining für den Rücken
und: Schlaf, Relaxen
Richtige Ernährung mit ausreichend Cerealien und Glukose
[f]Zwei Stunden vor dem Spiel[/f]
Die Welt ringsrum versinkt langsam aber sicher in ein Nichts.
Der Körper und der Geist bereiten sich vor.
Der Körper, der Arm und die Kugel werden eine Einheit.
[f]Warm up[/f]
Streckung/Dehnung, Kniebeugen, Rumpfdrehen, Armschwünge
Legen und Schieße auf 6 m!
[f]Spielbeginn[/f]
Jetzt ist mein Kopf gefordert. [k]Ich brauche keine guten Nerven, weil ich von mir überzeugt bin![/k]
[f]Volle Konzentration[/f]
Mentale Hochspannungsphase
Volle Konzentration, jeder Stress ist abgebaut
Das Team kennt nur noch diese Partie, rundherum ist Nichts!
Die erste Kugel ist spielentscheidend!
Den Gegner beobachten: [k]Achtung, die Augen verraten alles![/k]
[f]Wir sind sicher in unserem Tun, weil wir um unser Können wissen![/f]
[f]Zwei bis acht Stunden nach dem Spiel[/f]
Das Spiel ist vorbei und doch noch nicht vorbei.
Wir haben gewonnen und sind stolz auf uns – wir gönnen uns eine Belohnung!
Wir haben verloren! Hadern und Selbstzweifel bringen nichts! Wir besinnen uns auf das Wahre und betrachten unser Spiel kritisch – aber wir sind ehrlich und konstruktiv.
[f]Mentales Wachbleiben[/f]
Erfolgreiche Spielzüge nacherleben
[f]Relaxen[/f]
In Pausen Beine hoch, das führt das Blut zurück ins Gehirn
Rechtzeitiges Wiederaufwärmen
Energiedrink, Obst, Cerialien/Glukose
Die hier beschriebenen Aspekte waren auf einem Bogen in schematischer Darstellung aufbereitet und wurden den Spielern und Spielerinnen weit über das dort geschrieben hinaus erklärt. Die Sportler hatten auch noch vielfältige Rückfragen und bis hin zu sehr konkreten, bereits erlebten Situationen wurden Gespräche geführt, diskutiert und aufgeklärt.
[f]Ein ganz wichtiger Aspekt in den Unterlagen war folgende Feststellung:[/f]
Während eines internationalen Wettkampfes sind Coach und Sportler ein „eigener Planet“! Sie haben mit nichts etwas zu tun, was nicht unmittelbar mit den Spielen zusammenhängt. Sie sind von allem Organisatorischen völlig abgeschottet. Es kann ihnen egal sein, gegen wen sie wo spielen, wie sie zum Ort des Geschehens kommen und wann es wo etwas zu essen gibt etc.
Die Sitzung mit den Spielern und Spielerinnen des DPV-Kaders dauerte ca. 2 Stunden. Danach wurden die Sportler entlassen und es ging weiter mit der Schulung der Coaches für die Sichtung am nächsten Tag.
Fortsetzung folgt!