DPV – 10 Fragen – Breitensport ist Spitzenspaß

10 Fragen an Alexis Jeremias

Breitensporttrainer (TC Vorster Wald)

Heute spreche ich mit Alexis Jeremias, Breitensporttrainer der Abteilung Boule im Tennisclub Vorster Wald, Kaarst bei Düsseldorf.

Frage: Wie bist Du darauf gekommen, Pétanque zu Deinem Sport zu machen?

Alexis Jeremias: Das war vor ziemlich genau eineinhalb Jahren, beim Senioren-Fußballtennis. Beim Ruf an einen Mannschaftskollegen: „Den kriegst Du noch!“ – Achtung, ich stand! – habe ich mir heftigst einen Muskel gerissen, bin nach Hause gehumpelt habe geflucht und gewusst, es bleiben nur Mikado oder das mit den Kugeln, wie heißt das bloß?
Ich bin aufs Sofa und habe im Netz gesucht. Dabei habe ich einen Kurs bei der VHS Kaarst gefunden, drei Abende für Anfänger oder Fortgeschrittene und habe uns, meine Frau Miriam und mich, angemeldet, irrtümlich zuerst zum Fortgeschrittenenkurs. Wir haben viel gelernt, über Lizenzen, Liga, Qualifikationen. In der Woche drauf waren wir oft spielen und wurden gleich aufgefordert, uns nicht in einer Ecke zu verstecken, sondern mit allen mitzuspielen.
Wir haben dann auch Liga und Qualifikationen gespielt und es kam zu einem denkwürdigen Spiel gegen Norbert Koch und Frau. Irgendwie haben wir Neulinge das Spiel gegen ihn gewonnen und Norbert hat sich unglaublich für uns gefreut und wir waren total erstaunt, dass er uns den Sieg so sehr gegönnt und dabei eine wahnsinnig positive Ausstrahlung auf uns gehabt hat. Er hat uns dann animiert, an der Breitensportausbildung, die Monate später stattfinden sollte, teilzunehmen.

Frage: Was hat Dich motiviert, Dich über das Spielen hinaus zu engagieren?

Alexis Jeremias: Ganz einfach, das war die Behindertengruppe, die zeitgleich mit uns auf den Feldern nebenan gespielt hat. Diese Gruppe hat eine unbändige Freude ausgestrahlt, so daß ich als alter Übungsleiter aus dem Handball kommend gesagt habe: „So eine Gruppe hätte ich auch gerne.“ Leider kam es im vergangenen Jahr nicht mehr dazu, aber das war die Ursprungsmotivation. Die Alternative ist jetzt unsere Samstagsgruppe, in der Miriam und ich als Breitensporttrainer uns und die Spieler weiterentwickeln wollen.

Frage: Was sind denn die Aufgaben eines Breitensporttrainers?

Alexis Jeremias: Es ist nicht nur das Hinführen zu sportlicher Betätigung, es geht darum, Freude zu vermitteln, Freude daran, daß man alles tun kann, Liga, Qualifikationen, Sportabzeichen. Man kann wöchentlich oder täglich spielen, mit Spaß, auch mit Ehrgeiz. Man hat soziale Kontakte und durch Boule bin ich selbst in Kaarst erst richtig angekommen

Frage: Welche Methoden stehen da zur Verfügung, wie erreichst du das?

Alexis Jeremias: Zuerst durch die Bewegung an sich. Wir versuchen, auf alle mögliche Arten die Kugel ans Ziel zu bringen, lassen die Übungen häufig wiederholen und lachen vor allem viel. Wir unterhalten uns, was uns bei unserem ersten Ligaeinsatz strikt verboten wurde.
Ich halte es da eher mit Daniel Dias, der mir sagte: „Wir spielen für Kaarst-Vorst 3 und nicht für Nizza.“
Es ist halt ein kommunikativer Sport. Wir sprechen dabei über Werte, wie Respekt, Ehrgeiz, Zusammenhalt, das ist in einer Gruppe von 50- bis 80-jährigen schon auch spannend.

Frage: Mich erinnert das an das Interview mit Volker Hübchen „Ein echter Bouler“, vieles, was unseren Sport repräsentiert. Aber wo endet Breitensport, wo beginnt Spitzensport?

Alexis Jeremias: Naja, es gibt noch etwas dazwischen. In den unteren drei Ligaklassen ist das Feld noch homogen, jeder kann gegen jeden gewinnen. In NRW- oder Landesligen oder höher ist ein anderer Trainingsaufwand gegeben, das sind schon andere Klassen. Die Spieler dort sind uns Breitensportlern so überlegen, daß sie Ihre Spiele gegen uns in aller Regel gewinnen. Hinzu kommt, daß die Qualifikationsturniere für Breitensportler recht anstrengend sind, fünf Spiele in einem weiten Leistungsspektrum kosten schon Kraft und Energie.

Frage: Muss man sich auch manchmal andere Ziele setzten? Nicht zu null vom Platz oder mit sieben mehr als die Hälfte erreichen, damit es ein gefühlter Sieg wird?

Alexis Jeremias: Man muss seine Leistung schon realistisch einschätzen können und auch das versuchen wir in den Trainingsgruppen zu vermitteln. Auch relative Anfänger können nach einigen Monaten Training in den unteren 3 Klassen bestehen – und damit meine ich, ein ordentliches und spannendes Spiel machen.

Frage: Was gehört noch zum Breitensport?

Alexis Jeremias: Oh, Miriam und ich haben uns letztes Jahr zum Beispiel zur Abnahme für das Pétanque-Sportabzeichen angemeldet. Mein erster Gedanke war: Das sind keine Übungen für Anfänger. Es hat dann doch geklappt, allerdings gab’s die Urkunde mit dem Kommentar: “Die Punkte reichen zwar, aber wir müssen schon noch mal auf die Technik gucken.“
Ich will aber noch etwas loswerden, unser Erlebnis auf Juist. Als wir zum ersten Mal dort spielten, und zwar alleine, beobachtete uns eine ältere Dame sehr genau. Es stellte sich heraus, daß das die Initiatorin des Platzes war, die sich unheimlich freute, daß die Bahn benutzt wurde. Wir haben die interne Juist-Meisterschaft ausgespielt, mit zwei Teilnehmern, Miriam und mir. In diesem Jahr haben wir das wiederholt, allerdings in anderem Rahmen. Wir haben der Juist-Stiftung, der der Platz gehört, angeboten, die offenen deutschen Inselmeisterschaften auszutragen. Im nächsten Jahr sollen sie stattfinden, teilnehmen dürfen nur Spieler aus den untersten drei Ligaklassen oder Hobbyspieler und daran arbeiten wir gerade.

Frage: Wer sind denn eigentlich die Leute, die zu Euch zum Training kommen?

Alexis Jeremias: Das sind Leute zwischen 50 und 80 Jahren, meist schon Vereinsmitglieder, Kreisliga- oder Hobbyspieler. Wir versuchen Tandems zu bilden, und zwar sollen die Mitglieder unserer drei Kreisligamannschaften die neuen Spieler eins zu eins mit einweisen.

Frage: Und wenn mal gerade niemand zu Euch kommt, wie gewinnt Ihr neue Spieler?

Alexis Jeremias: Zunächst haben wir das Problem gar nicht, auf unser Angebot, das wir per mail an alle Vereinsmitglieder geschickt haben, hatte wir etwa 20 Anmeldungen. Generell können wir aber die VHS-Kurse hervorheben, bei denen wir versuchen, neue Vereinsmitglieder zu gewinnen.

Frage: Ist es nicht schade, wenn Du einen Spieler für den Breitensport ausbildest und der dann „nach oben“ aussteigt?

Alexis Jeremias: Ganz im Gegenteil, das fände ich superklasse. Du kannst Dich quer entwickeln, kannst Dich hoch entwickeln, du spielst wo und wie es Dir Spaß macht.

Unser Gespräch bestand aus zehn Fragen aber mehr als zehn Antworten, alles aufzuschreiben hätte den Rahmen des Interviews gesprengt, Alexis, bleib so engagiert und vermittle Anderen den Spaß, den ich bei Dir selbst gespürt habe, viel Glück und Erfolg für die Zukunft.

Die Fragen stellte Michael Regelin am 08.11.2020