Der Verantwortung mit Lust und Laune gerecht werden

Die Deutschen Pétanque-Meisterschaften 2019 stehen vor der Tür. Inzwischen sind es vier Disziplinen, in denen alle Lizenz-Spielerinnen und -Spieler im DPV um den Titel „Deutscher Meister“ kämpfen dürfen: Triplette (3:3), Doublette (2:2), Tête (1:1) und Doublette Mixte (f/m:f/m). Hinzu kommen die Disziplinen Triplette 55+ (3:3) für Spieler/innen älter als 54 Jahre, Triplette Frauen (3:3) ausschließlich für Spielerinnen – und zwei Tireur-Wettbewerbe (Präzisionsschießen), einer für beide Geschlechter und einer ausschließlich für Frauen. Last but not least hat auch die Jugend jedes Jahr ihre eigenen Deutschen Meisterschaften in den unterschiedlichen Altersklassen.

Die Teilnahmeberechtigung an Deutschen Meisterschaften erfolgt über Qualifikationsturniere in den 10 Landesverbänden des DPV. Hier müssen sich die Teams zunächst auf die vorderen Plätze kämpfen um ein Ticket zum Kampf um die nationale Krone zu lösen. Über 1.500 Pétanque-Sportlerinnen machen sich jedes Jahr auf den Weg zu Deutschen Meisterschaften – und das sind „nur“ die, die auch die Qualifikationen geschafft haben. Die Zahl derer, die über die Turniere in ihren Landesverbänden nicht hinausgekommen sind, ist vielfach höher.

Einer, der seit vielen Jahren immer dabei ist – und hoffentlich auch noch viele Jahre in der Zukunft – ist Alfons Schulze-Niehues. Und dies liegt nicht in erster Linie an seinem Ausnahmetalent im Umgang mit der Boule-Kugel, sondern viel mehr an der Tatsache, dass er der „Kopf“ des „DM-Teams“ im Deutschen Pétanque Verband ist. Diese Mannschaft wurde zusammengestellt um einen reibungslosen Ablauf aus fachsportlicher Sicht vor Ort zu gewährleisten. Als routinierte Turnierleitung sorgen sie dafür, dass Deutsche Meisterschaften nicht nur formal korrekt sondern auch zügig durchgeführt werden.

Im Interview mit der DPV-Redaktion beschreibt der Handwerksmeister, Jahrgang 1954, seit 2017 in Rente, seinen Blick auf Deutsche Meisterschaften  – und wo er noch Potenzial sieht, diese Events aufzuwerten.

 

 

DPV: Alfons, seit wann leitest Du mit dem DPV-DM-Team regelmäßig die Deutschen Meisterschaften?

ASN: Das DM-Team als feste Institution zur fachsportlichen Unterstützung von Deutschen Meisterschaften wurde 2010 ins Leben gerufen, nach meiner Erinnerung kam der Impuls hierzu von der damaligen DPV-Vizepräsidentin Johanna Brauch. Ich wurde im Jahr 2013, aufgrund meiner Erfahrung in der Leitung anderer Pétanque-Turniere, gefragt, ob ich hier mitmachen möchte – und habe gerne zugesagt. Das feste Team, das heute für die sportliche Begleitung der DM verantwortlich ist, gibt es in dieser Besetzung seit 2014. Bis auf einige altersbedingte Wechsel handelt es sich dabei um einen festen Kern, zu dem von Fall zu Fall noch Freiwillige hinzustoßen. Das sind zum Teil Helfer aus dem Kreis der Ausrichter, die sich auch gerne in den Folgejahren zur Verfügung stellen, wenn Deutsche Meisterschaften in ihrer Nähe stattfinden.

DPV: Wie gestaltet sich so ein DM-Wochenende für das DPV-Orga-Team?

ASN: Inzwischen sehr routiniert. Ich selbst treffe meistens bereits am Freitag-Mittag ein, so gegen 13.30 Uhr. In der Regel sind dann natürlich auch schon Helfer des ausrichtenden Vereines vor Ort. Das allermeiste Equipment des DPV habe ich im PKW dabei, manchmal brauche ich auch einen Kleinbus. Wir suchen dann den optimalen Platz für die Turnierleitung – nach Möglichkeit in der Nähe des Caterings, hier halten sich die meisten Teilnehmer zwischen den Partien auf. Ja, und dann wird halt der Pavillon, der Tisch und die Technik für die Turnierleitung aufgebaut.

Im weiteren Verlauf des Freitages stoßen dann die anderen Mitglieder des DM-Teams dazu – und inzwischen ist es eine Kleinigkeit, die verschiedenen Aufgaben zu verteilen, die wir zu erledigen haben. Das geht Ruck-Zuck: drei Leute kümmern sich um dies, drei Leute um das – wie gesagt, eine große Routine.

DPV: Was sind das für Aufgaben, die da verteilt werden?

ASN: Alles, womit die Ausrichter nichts zu tun haben: den Turnierleitungs-Platz einrichten, Banner aufhängen, anderes Werbematerial verteilen, die Einschreibung, Auslosung, Zuteilung der Bahnen, Ergebnis-Meldung mit ggfls. -Kontrolle, Eingabe der Daten, Verarbeitung, Veröffentlichung – von der ersten Poule-Runde bis zur Siegerehrung.

DPV: Viele regelmäßige DM-Teilnehmer bemerken positiv, dass die Meisterschaften immer „flotter“ durch das Wochenende gehen. Stimmt das? Und woran liegt es?

ASN: Ja natürlich, alles andere wäre ja auch verwunderlich, nach den vielen Prozessen in der Turnierleitung, die wir über die Jahre verbessert haben. Ich möchte fast nicht davon anfangen, dass inzwischen selbstverständlich die gesamte Turnierleitung elektronisch verläuft. Wir hatten noch bis vor ein paar Jahren magnetische Papptafeln mit den Logos der Landesverbände und den Startnummern der Teams, die wir von Hand neben- und untereinander auf einer Metallplatte angebracht haben, das dauert natürlich. Inzwischen ist diese Vorgehensweise durch einen großen Monitor ersetzt, auf denen nicht nur der LV und die Startnummer angezeigt werden, sondern auch die Namen der Sportlerinnen und Sportler, die in den einzelnen Teams antreten. So finden sich die Mannschaften deutlich schneller als früher, wo man sich die Startnummer merken musste und dann auf einer separaten Liste nachgeschaut hat, welche Personen denn hinter diesem Team stecken.

Eine weitere Beschleunigung bringt es natürlich, dass sich die Teams inzwischen bereits am Freitag-Abend, von 18:00 Uhr bis 20:00 Uhr einschreiben können, das war in der Vergangenheit erst am Samstag-Morgen möglich und hat natürlich auch Zeit verschlungen. Inzwischen würde ich schätzen, dass rund 80% der Teams am Samstag-Morgen bereits eingeschrieben sind.

Weiterhin ist es so, dass wir die Begegnungen nach den Poule-Runden ebenfalls bereits Freitags auslosen. Das heißt: von den vier Teams aus einem Poule schaffen es zwei in die nächste KO-Runde der DM, die beiden anderen kämpfen (so sie denn möchten) im Begleit-Turnier (B-Turnier) um den ersten Platz. Wir wissen also schon am Samstag-Mittag, welche Sieger aus den Poule in der ersten KO-Runde der DM gegeneinander antreten – und welche Teams im B-Turnier gegeneinander spielen. Das beschleunigt den Ablauf erheblich. Die Auslosung am Freitag-Abend ist natürlich blitzsauber dokumentiert, falls einmal jemand Zweifel an der Richtigkeit haben sollte.

Und nicht zuletzt ist es natürlich die große Routine, die das eingespielt DM-Team mitbringt und so dafür sorgt, dass alles – wie Du eben sagtest – „flotter“ über die Bühne geht.

DPV: Inwiefern ist eine Deutsche Meisterschaft mit mehr Aufwand für die Ausrichter verbunden, als ein „ganz normales“ Turnier?

ASN: Zunächst mal ist es ganz klar so, dass eine DM über drei Tage geht – das ist schon ein wesentlicher Unterschied. Nicht nur das
DM-Teams sondern auch ein Großteil der Sportler/innen treffen bereits Freitag-Nachmittags bis -Abends ein. Hier muss dann das Gelände schon entsprechend fertig präpariert sein und es sollten auch schon Speisen und Getränke angeboten werden. Die Helfer in den ausrichtenden Vereinen haben also – anders als bei eigenen Turnieren von 7:30 Uhr bis 19:30 Uhr – von Freitag-Nachmittag bis Sonntag-Nachmittag zu tun. Dem gegenüber steht natürlich die Unterstützung des DPV-DM-Teams, die gewährleistet, dass man sich vor Ort um sonst nichts selbst kümmern muss. Trotzdem sind die drei Tage am Stück für viele Vereine eine Hemmschwelle, eine DM auszurichten. Dabei ist es interessant zu beobachten, dass gerade Vereine, die einmal eine DM zu Gast hatten, sich in der Folge immer wieder um die Ausrichtung bewerben. Tromm ist hier ein schönes Beispiel, Schüttorf, Mülheim an der Ruhr – da gibt es einige. Denn grundsätzlich ist eine Deutsche Meisterschaft natürlich auch ein Renomée-Stück für die ausrichtenden Vereine. Das Event hat eine Menge Potenzial, den eigenen Club, den Pétanque-Sport und das Boule-Spiel als Breitensport im Umfeld der Vereine bekannter zu machen.

Eine weitere Hemmschwelle sind die 64 Wettkampf-Felder, die zur Verfügung gestellt werden müssen – soviel Platz haben die wenigsten Boule-Clubs in Deutschland. Aber die Regel Nr. 1 bei unserem Sport lautet: Pétanque wird auf jedem Boden gespielt. Es ist also auch kein Hexenwerk, zumindest vorübergehend eine ausreichende Menge an Bahnen zur Verfügung zu stellen. Diefflen im Saarland ist hier ein schönes Beispiel, wo zu einer DM einfach Nebenwege um den Spielort gesperrt und ein wenig Kies verteilt wurde – fertig waren die Bahnen. Der FC Schüttorf macht das in Niedersachsen auch beispielhaft. Bei den Deutschen Meisterschaften die hier – fast schon regelmäßig – ausgerichtet werden, wird einfach ein großer Parkplatz abgesperrt und zu Wettkampfbahnen umfunktioniert.

Der Phantasie sind hier also keine Grenzen gesetzt. Ein weiteres schönes Beispiel, ausreichend Spielflächen zur Verfügung zu stellen, werden wir in diesem Jahr in Bad Pyrmont erleben. Hier hat der ausrichtende Verein die DM Triplette in den Kurpark verlegt. Ein wunderschönes Ambiente mit jeder Menge Zuschauern – das ist eine tolle Aktion. Natürlich mit dem entsprechenden Aufwand verbunden, aber mit Sicherheit eine ganz tolle und lebendige Visitenkarte für unseren Sport.

DPV: Im Verlaufe einer DM kommt es doch sicher auch einmal zu witzigen Gelegenheiten, gibt es eine Anekdote, die Dir da besonders in Erinnerung ist?

ASN: Da gibt es eine ganze Menge (lacht)! Aber am meisten ist mir ein Spieler in Halle an der Saale in Erinnerung geblieben. Der hatte tatsächlich ziemlich spektakulär mit seinem Team eine nominell deutlich stärkere Mannschaft geschlagen und stand nun „stolz wie Oskar“ bei der Turnierleitung, um das Ergebnis zu melden. Dazu kam er aber gar nicht, weil in diesem Augenblick sein Smartphone piepste und er eine Gratulation per Kurznachricht von seinen Leuten zuhause zu eben diesem Sieg bekam. Das Gesicht werde ich niemals vergessen.

Hintergrund dieser Anekdote ist der, dass natürlich alle gemeldeten Ergebnisse einer DM-Partie sofort live auf der Homepage der Deutschen Pétanque Meisterschaften erscheinen. Und dieser Sieg war so spektakulär (Stichwort: Favoritensterben), dass ein Schiedsrichter bereits bei der Turnierleitung war und das Ergebnis durchgegeben hat. Anstatt, dass der Spieler also bei uns stolz verkünden konnte: „Ihr werdet es nicht glauben, aber …“ wusste bereits ganz Deutschland, dass er gewonnen hatte.

DPV: Lieber Alfons, es ist schön, mit welcher Leidenschaft und Freude Du von Deiner und der Arbeit des DM-Teams berichtet. Aber: gibt es auch Punkte, die Du verbesserungswürdig findest.

ASN: Wenn es etwas zu verbessern gäbe, hätten wir das längst getan. (lacht wieder) Spaß beiseite!

Natürlich wäre es schön, wenn wir z.B. den Ausrichtern als DPV Spielstandanzeiger für jede Bahn zur Verfügung stellen könnten. Das scheitert aber u.a. daran, dass ich jetzt schon meist mit einem Kleinbus unterwegs bin um das ganze Equipment zu transportieren, wenn da noch Sachen hinzu kommen, brauchen wir bald einen 7,5-Tonner. Denn Spielstandanzeiger sind ja nicht die einzige sinnvolle Ergänzung. Ein Sound-System, mit dem man wirklich jedes Spielfeld akustisch erreicht, wäre toll – manche Ausrichter haben sowas. Aber das kostet viel Geld, müsste ebenfalls transportiert und  außerdem natürlich gepflegt und gewartet werden – da haben wir schon mit dem bestehenden technischen Equipment genug Aufwand. Ja, und nicht zuletzt wäre es natürlich toll, jeweils an den Spielfeldern ab den Halbfinal-Partien Tribünen zu haben, damit alle vernünftig zuschauen können. Ganz abgesehen davon, dass das den professionellen Charakter unserer Deutschen Meisterschaften wesentlich unterstützen würde. Soll ich noch weiter machen, oder reichen Dir diese Antworten erstmal?

DPV: Danke Alfons, man spürt deutlich, dass Du auch eine wesentlich längere Liste im Angebot hättest. Möchtest Du abschließend noch etwas los werden, was vielleicht noch nicht gefragt wurde?

ASN: Na ja, vielleicht könnte ich die Gelegenheit hier nochmal für einen kleinen Aufruf an die Vereine im DPV nutzen. Es wäre wirklich schön, wenn sich noch viel mehr Klubs trauen würden, eine Deutsche Meisterschaft auszurichten. Der Aufwand ist – wie beschrieben – nicht deutlich höher, als bei einem eigenen Turnier. Das, was an Mehraufwand jenseits der Turnierleitung anfällt, wird durch die Unterstützung des DM-Teams im fachsportlichen Bereich sehr gut kompensiert. Und an dieser Stelle nochmal der Hinweis: bis jetzt habe ich keinen Verein erlebt, der eine DM ausgerichtet hat und anschließend meinte: „Um Gottes Willen, nie wieder!“ Im Gegenteil, der Trend geht dahin, dass sich immer dieselben Ausrichter um eine DM bewerben. Insofern wäre der Mut derer, denen selbiger bis jetzt gefehlt hat, auch ein schönes Instrument für mehr Vielfalt im Spitzensport des Deutschen Pétanque Verbandes.

DPV: Ein schönes Schlusswort, lieber Alfons, wir danken für Deine Zeit und wünsche Euch als Team weiterhin ein gutes Händchen.