Mit fremder Feder – Simon Striegl

Ja, auch bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung weiß man, was Pétanque ist.

Wie immer freut es uns, wenn unser Sport einmal außerhalb der Boule-Blase Beachtung findet und es ist besonders erfreulich, wenn es einmal um den Leistungssport geht, der in der Öffentlichkeit doch weniger wahrgenommen wird, als das gesellige Spiel.

Simon Striegl, Schüler des Karl-Theodor-von-Dalberg-Gymnasiums in Aschaffenburg hat sich für das Projekt „Schule schreibt“, das von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung initiiert wurde und begleitet wird, einmal in der Oberstufe seiner Schule umgesehen und Bemerkenswertes gefunden: Gabriel Huber, der als Sportler Besonderes leistet.

Aber lest selbst, was am 25.05.21 zu lesen war:

Solo-Präzisionsschießen in der Pandemie

Gabriel Huber spielt in der Boule-Nationalmannschaft und trainiert auf der Aschaffenburger Großmutterwiese

Von Simon Striegl, Aschaffenburg, Karl-Theodor-von-Dalberg-Gymnasium

Es ist Mittag. Schon von Weitem kann man das Klirren der Kugeln vernehmen. Es ist ein dumpfes, nicht lange nachhallendes Geräusch, etwas gedämpft durch den Untergrund, auf dem die Kugeln sich befinden. Es ist das Klirren, das ertönt, wenn eine Kugel die andere trifft; das den Spieler, der gerade am Zug ist, aufhorchen lässt, da er soeben einen Schritt weiter hin zum Ziel gemacht hat; das den Gegenspieler anspornt, beim nächsten Wurf alles zu geben. Es ist das Klirren, das für jeden Boulespieler Musik in den Ohren ist.

Dieses Klirren hört man auch jetzt, in der Zeit, in der fast der gesamte übrige Sportbetrieb aufgrund der Corona-Maßnahmen ruht. Die Boulespieler arbeiten unbeirrt daran, ihre Wurftechnik zu perfektionieren. Hierbei können sie, jeder ganz individuell, die eigene Präzision verbessern. Wurf für Wurf wird das Trainingsziel, genau vorhersehbare Würfe zu absolvieren, immer erreichbarer.

 

Ein taktisches Spiel

Genau das spielt sich auch auf dem Bouleplatz in Aschaffenburg ab. Der Platz selbst ist wenig spektakulär, aber idyllisch. Er befindet sich auf der Großmutterwiese. Umringt von Bäumen, trainiert Gabriel Huber, 17 Jahre und Schüler am Karl-Theodor-von-Dalberg-Gymnasium, gerade wieder fleißig. In sportlicher Kleidung und höchst konzentriert versucht er, die Kugel erneut perfekt zu setzen. Bei Boule handelt es sich um eine Präzisionssportart aus Südfrankreich. Ziel hierbei ist es, die eigene Kugel näher an die kleinere Zielkugel zu platzieren als der Gegner. Die Zielkugel und die gegnerischen Kugeln können dabei auch weggeschossen werden. In Frankreich wird die Zielkugel cochonnet, Schweinchen, genannt. Bei einem Boulespiel stehen sich immer zwei Mannschaften im Wettbewerb gegenüber. Parallel dazu wird in einigen Wettbewerben auch ein separates Solo-Präzisionsschießen durchgeführt. Bei dieser Art von Wettbewerb kommt es einzig auf die Genauigkeit des Wurfes an, die durch verschiedene Zielaufgaben gefordert wird.

Die Faszination dieser Sportart liegt für den deutschen Nationalspieler Gabriel Huber, der sich auf sein Abitur am Karl-Theodor-von-Dalberg-Gymnasium vorbereitet, darin, dass Boule sowohl ein taktisches als auch ein einfaches Spiel ist. Hinzu kommt, dass man sich durch harte Arbeit sehr schnell verbessern kann. Ein weiterer Pluspunkt für das Spiel liegt für Gabriel Huber darin, dass man viel unterwegs ist, viele Freunde und Kollegen bei den Turnieren trifft.

Während des Lockdowns mehrere Turniere gleichzeitig gespielt

Zu dieser doch eher nicht so weitverbreiteten Sportart in Deutschland ist er mit 13 Jahren durch seinen Vater und seinen Bruder gekommen. Sie haben an einem Boule-Workshop teilgenommen, und er durfte zuschauen und war so fasziniert, dass er es selbst spielen wollte. Seit diesem Zeitpunkt lebt Gabriel für diesen Sport. Gabriel Huber spielte in der letzten Saison noch beim Bundesligisten BC Mechenhard. Doch zu Beginn dieses Jahres wechselte er zum TV 1877 Waldhof in Liga 3. Neben dem Ligasport ist Gabriel Huber seit 2017 Mitglied der Jugend-Nationalmannschaft. Seit Anfang des Jahres ist er auch im Kader der deutschen Boule-U 23-Nationalmannschaft. In seiner bisherigen sportlichen Laufbahn kann er bereits viele Erfolge aufweisen: Europameister 2020, viermaliger deutscher Meister, seit 2018 unangefochtener Jugendranglisten-Erster in Deutschland und Zehnter bei der Weltmeisterschaft in Kambodscha. Für die Zukunft hat er sich zum Ziel gesetzt, die Liste seiner internationalen Turniererfolge weiter auszubauen. Mit seinem neuen Verein Waldhof-Mannheim will er schnellstmöglich aufsteigen. Und zu guter Letzt ist der Gewinn der deutschen Erwachsenen-Meisterschaft in seinem Fokus. „Uns erging es wie jedem anderen Sport, auch wir durften keine Veranstaltungen haben“, sagt er. „Viele Sportarten konnten aufgrund der Pandemie nicht mehr weitergeführt werden. Auch Boule musste große Einschnitte hinnehmen und sich mit der Situation arrangieren. Um trotzdem im Training zu bleiben und einen gewissen Wettbewerb zu ermöglichen, hat man virtuelle Turniere organisiert.“ In dieser Turnierform ging es ausschließlich um eine separate Form des Boule, das Solo-Präzisionsschießen. „Ich habe während des Lockdowns manchmal mehrere Turniere gleichzeitig gespielt.“

Auch die Europameisterschaft 2020 wurde in dieser virtuellen Turnierform ausgetragen. Die deutsche Nationalmannschaft um Gabriel Huber war hier erfolgreich und konnte sich den Titel Europameister 2020 holen. Alle Partien aus diesen virtuellen Turnieren wurden über einen Livestream auf Facebook gezeigt, direkt aus den unterschiedlichen Örtlichkeiten, in denen die jeweiligen Spieler ihre Würfe getätigt hatten. Jeder Spieler hat 30 Würfe, die er, beobachtet durch die Kamera, machen kann. Diese werden dann in Facebook hochgeladen und durch die jeweiligen Juroren bewertet. Kann das die Atmosphäre bei einem echten Turnier ersetzen? „Das war immerhin besser als gar nichts“, urteilt Gabriel lachend, „aber ich freue mich schon darauf, meine Gegner wieder live zu treffen und nicht nur über den Bildschirm.“